Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Entfalte dich!

Wachsen mit dem Wissen vom Wandel

Seit vielen Jahren erforscht Ursula Seghezzi, Gründerin des Uma Instituts in Luzern, die natürliche Bewegung des Lebens. Aus den daraus gewonnenen Kenntnissen über die Struktur der Wandlung entwickelte sie das Coaching-Verfahren transformation in natura® mit ritualisierten Aufenthalten in der Natur.

Als Hintergrund dieser Methode dient Ursula Seghezzis Analyse des Weltbildes im westlichen Kulturkreis und die Frage: „Warum sind wir so, wie wir sind?“, die sie in einer drei Bände umfassenden Buchreihe detailliert beleuchtet. Kürzlich ist der letzte Teil der Trilogie Das Wissen vom Wandel erschienen. Grund für uns, mit der Autorin über das Schwerpunktthema dieses Heftes zu sprechen.

Sie schreiben am Beginn Ihres Buches Das Wissen vom Wandel von einer persönlichen Krise und dass die Natur dabei für Sie eine Lehrmeisterin war. Können Sie kurz erläutern, wie Sie diese Lebensphase erlebt haben?

Damals arbeitete ich bereits mit dem von mir entwickelten transformation in natura®-Ansatz. Darin nehmen wir die Natur in doppelter Hinsicht als Lehrmeisterin an. Einerseits orientieren wir uns am Lebenskompass, einer geistigen Landkarte, die die Gesetzmäßigkeiten der Jahreszeitenbewegung auf menschliche Entfaltungs- und Transformationprozesse überträgt. Der Lebenskompass erklärt die Stationen, die gesetzmäßig zu einer Krise gehören und so wusste ich  mit Hilfe dieser „Naturlandkarte“ zu jedem Zeitpunkt meiner eigenen Wandlungsbewegung, wo ich mich befand und was zu tun (oder zu lassen!) war. Und andererseits haben wir im transformation in natura-Ansatz eine Methode, wie wir  unsere Fragen in direkten Naturbegegungen und -erfahrungen spiegeln können und so zu tiefgreifenden, stimmigen Antworten kommen. Die drei Bücher, die ich nach dieser großen Krise schrieb, sind ein kreatives Produkt aus dieser persönlichen Transformation.

Wie würden Sie den Begriff „Krise“ im Vergleich zu Lebensübergang definieren? Ist das Wort „Krise“ nicht in gewisser Weise negativ besetzt, während Lebensübergang schon die Idee des Fließens, des Wandels in sich trägt?

Ja, „Krise“ ist umgangssprachlich negativ besetzt. Eigentlich bezeichnet das griechische Wort crisis einfach nur die Tatsache, dass es in einem Prozess einen Wendepunkt gibt. Danach ist man anders als vorher. Dasselbe trifft auf  Lebensübergänge zu.

Anders gefragt: gibt es vielleicht zwei Formen der Krise, die unmittelbare massive und die sich eher schleichend ankündigende, eher fließende?

Der Beginn einer Krise oder Wandlungsbewegung ist immer eine Störung. Im Lebenskompassmodell heißt diese erste Station „der Ruf“. Wir sind aufgerufen zu Wandlung und Weitung. Der Mythologe Joseph Campbell beschreibt in seinem Buch Der Heros in tausend Gestalten die Reise des Helden und bezeichnet diese erste Etappe als „göttliche Störung“. Die Störung oder der Ruf kann viele Gesichter haben: plötzliche Einwirkungen wie Todesfälle im Umfeld, eine Naturkatastrophe, die das Leben auf den Kopf stellt, oder der schleichende Beginn einer Krankheit. Egal wie der Beginn ist, der Ruf sagt uns: „Es gibt noch mehr. Entfalte dich!“

Würden Sie sagen, jede Krise birgt die Aufforderung, etwas in sich zu verändern?

Unbedingt. Veränderung zielt immer auf Entfaltung und, damit oft verknüpft, auf Heilung. Denn Veränderung geschieht bei einer Krise ja nicht um der Veränderung willen, sondern weil das bisherige Leben zu eng, zu klein oder falsch orientiert war.

Sie sagen, auch das Scheitern gehört dazu. Scheitern also als Chance?

Das Scheitern ist wie die Krise in unserer Gesellschaft negativ besetzt. Das rührt aus unserer Kultur hier, die sich auf das lineare Weltbild eingeschossen hat. Es soll immer vorwärts gehen, immer  am Fortschritt entlang, immer mehr und  immer schneller. In einem solchen Weltbild hat Rückbesinnung, Innehalten, Scheitern, Lernen durch Versuch und Irrtum und neues Anlaufholen keinen Platz. Dieses lineare Weltbild geht mit einer Todesverleugnung einher. Und weil  Scheitern irgendwie nach Sterben riecht, hat es einen schlechten Ruf. Die Natur erzählt uns aber etwas anderes: Periodisch müssen wir einkehren, loslassen, uns überdenken, uns weiten und neu orientieren.

Muss man erst an einen Tiefpunkt gelangen, um wirklichen Wandel zu erleben?

Ja. Nehmen wir zum Beispiel nochmals die Natur in ihren Jahreszeiten. Was im Sommer blüht und gedeiht, vergeht im Herbst und löst sich auf. Im Winter ruht alles im Verborgenen in der Erde. Am tiefsten Punkt des Jahres, in der  dunkelsten Nacht zu Mittwinter, ereignet sich die Wende und das neue Licht wird geboren. Dieser tiefste Punkt ist wertfrei. Er ist einfach jedes Jahr.

In der Seelenbewegung der Menschen ist das nicht anders. Erst wenn wir ganz absteigen in unsere eigenen Tiefen, wenn wir uns auseinandersetzen mit unseren Schatten und dem Unbewussten, aber auch mit dem noch nicht Gelebten,  dem noch unentdeckten Potenzial in uns – erst wenn wir dies alles geschaut haben, werden wir vollständig und auch vollständig gewandelt.

Sie sagen, eine Krise muss immer durchlitten, sie kann nicht selbst gewählt werden. Und doch hat man in manchen Fällen einen eigenen Anteil an dieser Krise, oder?

Hier müssen wir differenzieren. Eine Krise hat, wie jede Wandlungsbewegung, immer mindestens einen Punkt, wo es richtig wehtut. Das ist dann, wenn wir entweder tatsächlich dem Tod gegenüberstehen (z.B. schwere Krankheit oder Unfall). Oder wir begegnen dem Tod in Form der Einsicht, dass wir bisher beschränkt waren, dass unsere bisherigen Selbstbilder und Lebensentwürfe falsch waren, dass unsere bisherigen Strategien der Bewältigung versagen. Dieser Punkt  ist – vor allem für unser Ego – sehr schmerzhaft.

Wer ihn aber nicht durchleidet, gewinnt auch keine Offenheit für eine ganzheitlichere Sicht auf sich und das Leben. Hiervon unterschieden ist das Leiden oder der Schmerz, der dadurch entsteht, dass wir uns gegen die Wandlungsbewegung wehren. Dieser Schmerz ist unnötig und tatsächlich oft der eigene Anteil an der Krise.

Welche Rolle spielen innere und äußere Einflüsse bei solchen Wandlungsprozessen?

Die Einflüsse sind vielfältig. Die Kunst ist, sie unterscheiden zu lernen, egal ob sie von innen oder von außen kommen: Manche Einflüsse sind Hilfestellungen und Wegweiser. Das können „wandlungskundige“ Menschen sein oder innere Stimmen, die uns führen. Wir tun gut daran, ihnen zu folgen. Manche Einflüsse sind auch Prüfungen. Das können alte Muster sein, alte Denkweisen oder Menschen, die selbst Angst vor Veränderung haben. Dann sollten wir diesen Einflüssen nicht erliegen, sondern sie links liegen lassen und unseren Weg der Wandlung gehen.

Hält eine Weltanschauung, die die Zyklen der Natur außer Acht lässt, die individuelle und damit auch die gesellschaftlich-kulturelle Wandlung auf – oder verhindert sie sogar?

Schlimmer: Sie verursacht die Krisen von so großem Umfang, dass das Weiterleben auf diesem Planeten bedroht ist. Dass wir die Ressourcen der Natur und uns selbst über die Maßen ausbeuten, ist die unmittelbare Auswirkung eines nicht den Naturgesetzmäßigkeiten folgenden Weltbildes. Individueller und gesellschaftlich-kultureller Wandel muss heute auf der Ebene der Weltanschauung ansetzen. Reine Verhaltensänderung im bisherigen Geiste wird nicht nur nicht  funktionieren, sondern uns noch weiter in die Krise stürzen.

Sie beschreiben die Entwicklungen in vielen westlichen Industriegesellschaften, in denen Kinder einerseits durch frühzeitigen Leistungsdruck kaum noch Kinder sein können und andererseits Freiheit und  Individualität keinen Raum mehr für Initiationsriten lässt, wie sie beispielsweise in Stammesgesellschaften noch üblich sind. Habe ich Sie richtig verstanden, dass eine bewusst durchlaufene Pubertät  und damit auch der Übergang ins Erwachsenenalter die Grundlage für alle späteren Lebensübergänge sein sollte?

Genau. Die Pubertät ist der erste große, umwälzende Transformationsvorgang im Leben. Nicht nur der Körper verändert sich, auch unser Hirn und Denken wird vollständig umgekrempelt. Das Ergebnis ist – im besten Fall – eine erwachsene Persönlichkeit, die die Fähigkeit der (Selbst-)Reflexion für sich und die Gemeinschaft nutzt. Wenn wir diesen Übergang nicht nur durchleiden (oder überleben – für viele Jugendliche ist das schon eine Frage!), sondern bewusst  erleben und gestalten, dann haben wir das Modell von Transformation durch „erlebte Erkenntnis“ erfasst und sind in jedem späteren Lebensübergang handlungsfähiger. Dazu müssten den Jugendlichen aber kundige Erwachsene zur Seite  gestellt werden. Bewusstheit entsteht nie alleine. Bewusstheit ist dialogisch.

Sie sehen Wandel und Transformation des Individuums, aber auch der Gesellschaft als spiralförmigen Zyklus und ziehen Parallelen zum Jahreskreis und den wiederkehrenden Vorgängen in der Natur.  Darauf bezogen, setzen Sie den Beginn jeder Entfaltungsbewegung in den Winter, hingegen legen Sie den Start jeder Transformationsreise in den Sommer. Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Anfangspunkten?

Eine Kreis- oder Spiralbewegung hat keinen Anfang und kein Ende. Wenn wir den Lebenskompass aber als natürliches Modell benutzen wollen, dann greifen wir einen bestimmten Aspekt heraus und beleuchten ihn im Spiegel des  Naturzyklus. Entfaltung beginnt mit der Leere (Winter). Daraus entsteht eine Idee (Frühling), die nach und nach Form annimmt und lebenspraktisch umgesetzt und materialisiert wird (Sommer). Danach folgen eine Phase der Reflexion und Essenzbildung (Herbst) und der Abschluss und die Freisetzung von etwas Neuem (Winter).

Davon unterscheiden sich Transformationsprozesse. Hier gibt es ein gewohntes Leben (Sommer), in das eine Veränderung eintritt, die zum Innehalten und Loslassen zwingt (Herbst). Dieses führt uns in eine Leere und Offenheit, aus der  heraus wir – im besten Fall – den Gesamtzusammenhang in Verbindung mit uns selbst erkennen können (Winter). Hieraus entstehen neue Ideen und ein neues Bewusstsein (Frühling), die mit viel Elan, Hartnäckigkeit und Mut in die Welt  gebracht werden wollen (Sommer). In der Begleitung und Gestaltung von Individuen, Gruppen oder Teams ist diese Unterscheidung wichtig.

 Claudia Hötzendorfer

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