Der Bogen der Liebe umfasst das ganze Sein und findet seine Erfüllung im Göttlichen – darum entzieht sie sich letztlich allen Definitionen.
Liebe ist mehr als Instinkt. Um die Liebe zu verstehen, müssen wir von der Biochemie über die Instinktlehre weiter in die menschliche Psyche und Kultur vordringen.
Das Schöne und Beruhigende an der Liebe ist, dass sie weit mehr ist als ein Instinkt. Sie ist ein Bedürfnis und eine Versammlung von Vorstellungen. Sie ist als Verlangen angeboren und als Fähigkeit durch Erfahrungen genährt und geprägt. Einen „Liebestrieb für romantische Liebe“ gibt es deshalb auch nur in der Phantasie ehrgeiziger Wissenschaftler. „Liebe“ mit einem Computerbild zu beweisen ist in etwa so, wie Licht zu erklären, indem man auf den Lichtschalter verweist.
Der tatsächliche Vorgang des Liebens, aus dem die „Liebe“ besteht, ereignet sich dagegen auf mehreren Ebenen. Alle drei zusammen – Emotion, Gefühl und Verhalten – machen das aus, was wir Liebe nennen. Solange eines der drei fehlt, erscheint uns die Liebe unerfüllt, unvollständig oder beschädigt. Um die Liebe zu verstehen, müssen wir von der Biochemie über die Instinktlehre weiter in die menschliche Psyche und Kultur vordringen.
Richard David Precht