Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

'Lass die Wahrheit zu' (Bildtitel)

Brigitte Schweis ist Sterbebegleiterin. In ihren Gemälden bringt sie tiefe innere Bilder zum Ausdruck, die Wandlungen im Lebenszyklus darstellen. Im VISIONENInterview erläutert sie ihre Einstellung zum Tod und wie Kunsterfahrung in der Nähe des Todes unser Leben wandeln und bereichern kann.

Frau Schweis, Sie sind ehrenamtliche Sterbebegleiterin und malen auch. Einige Ihrer Bilder sind ausgestellt in Meschede. Welche Bedeutung hat das Malen für Sie?

Es geht mir um ein inneres Verständnis, was nicht so sehr mit dem Kopf zu tun hat. Ich male schon lange. Früher, von der Ausbildung her, eher konkret, zum Beispiel Landschaften und Konstruktion, ich bin eigentlich Architektin. Durch meine Krebserkrankung bin ich erneut und ganz anders zum Malen gekommen. Ich würde das mit dem Begriff „Innere Bilder“ überschreiben. Es geht da um eine Entwicklung, die beim einen schneller, beim anderen langsamer verläuft – sofern wir überhaupt in diesen Prozess gehen.

Wir sind in unserer Kultur sehr stark auf den Kopf und das rationale Denken fixiert. Da heraus zu kommen ist nicht so leicht, obwohl ich behaupten möchte, dass unser Sein zu gut 90 Prozent von unserem „Bauch“ bestimmt ist. Dazu zählen Gefühle, Empfindungen, Träume. Auf dieser nichtrationalen Seite steht auch das, was ich Intuition und künstlerisches Dasein nennen möchte – der Oberbegriff wäre „Kreativität“. Dahin zieht es mich. Es geht mir nicht darum, Ausstellungen zu machen und Bilder zu verkaufen, sondern – unter anderem auch aufgrund meiner kunsttherapeutischen Weiterbildung und eigenen Erfahrung – anderen zu helfen, in ihren Prozess zu kommen.

Die Malerei halte ich da für einen sehr guten Weg, weil sie aus unserer Verkopftheit herausführt und Bilder grundsätzlich stärker wirken als bloße Worte. Sie können ganz viel lesen und vergessen dann das meiste, doch wenn Sie ein Bild oder einen Film sehen, das bleibt haften. Oder wenn die Mutter dem Kind zehnmal sagt, was es tun soll, selber aber in ihrem Verhalten das Gegenteil zeigt, dann wiegt dieses Bild schwerer. Es zählt, was passiert, und darin liegt die Kraft: Wenn wir im bildnerischen Tun unsere ureigene Kraft fließen lassen können – was bei vielen Menschen leider schon in früher Kindheit kaputtgemacht worden ist. Das Kind malt ein Haus, und dann heißt es: „Der Schornstein ist aber nicht gerade, und schau mal, das Fenster…!“ Da werden wir geprägt und kommen dann nicht mehr in diese innere Kraft. Die gilt es zu stärken. Und darum geht es mir: in diese innere Kraft zu kommen, wo die Intuition voll zum Zuge kommt. Da habe ich die ganze Palette von Farben, und meine Auswahl richtet sich nicht danach, dass das Dach rot sein muss, weil Ziegel rot sind, sondern ich steh vor der Leinwand und fühle: Ja, das ist die Farbe, die springt mich jetzt an!

Die Beschäftigung mit dem Tode ist die Wurzel der Kultur. (Friedrich Dürrenmat

Christian Salvesen

Foto(s): Brigitte Schweis

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