Im Gespräch mit Prof. Claus Eurich
Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, an etwas gescheitert zu sein. Ob sie uns völlig aus der Bahn wirft oder ob wir etwas daraus lernen, hängt davon ab, wie man damit umgeht. Denn man kann eine Krise durchaus als Chance begreifen, wenn man sich ihr stellt und sie bewusst durchlebt. Davon ist Professor Claus Eurich zutiefst überzeugt. In Seminaren und in seinem Buch Die heilende Kraft des Scheiterns zeigt er eine neue Sichtwiese auf den Umgang mit Krisen.
Die Regale der Buchhandlungen biegen sich mit Ratgebern, wie man glücklich wird, sein Leben optimiert und seine Ziele erreicht. Sie hingegen widmen sich dem Scheitern. Was hat Sie bewogen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen?
Ich glaube, dass es ein zeitloses Thema ist und dass wir es in unserer wettbewerbsbezogenen und erfolgsgewohnten Kultur völlig verlernt haben, den Blick auch darauf zu richten, dass menschliches Handeln immer gebrochen ist. Vor allem, dass wir uns im positiven Sinne in keinerlei Fortschritt hineinbewegen können, ohne dass unsere Erwartungen enttäuscht und sogar ganze Strategien zerbrochen werden.
Es ist diese uralte Grundeinsicht: Es kann nichts Neues entstehen, wenn Altes nicht vergangen ist, wenn aus dem Alten heraus keine Perspektiven für das Neue entstehen. Das geht jedoch nur, wenn man aus bestimmten Routinen und Gewohnheiten, aus festgeschriebenen Orientierungen im Leben herausgeworfen wird, weil man es nicht vorher freiwillig sieht. Das ist Scheitern.
Scheitern ist für mich etwas zutiefst Existentielles und nur wer die Prozesse des Scheiterns annimmt, sie in aller Tiefe durchlebt und dann auch in sein Leben integriert, kann nach meiner Auffassung als Persönlichkeit reifen.
Claudia Hötzendorfer