Notre Dame von Chartres ist die besterhaltene gotische Kathedrale der Welt (gebaut 1194 – 1260). Historiker, Geomantiker und spirituelle Pilger entdecken auch heute noch immer neue Geheimnisse an diesem Ort der Kraft.
Um 1200 herrscht in Frankreich ein bis dato nicht gekanntes Baufieber. Zwischen 1180 und 1270 entstehen 500 Klöster und 80 Kathedralen im neuen Stil der Gotik. Die Ausrichtung auf Gott findet einen überzeugenden Ausdruck in der Architektur der Gotteshäuser. Die Säulen, Fenster und Türme streben in die Höhe. Große Fenster mit bunten Figuren und Ornamenten lassen ein warmes, geheimnisvolles Licht in den unwirklich großen Innenraum. Zugleich bringt der Bau-Boom die Wirtschaft in Schwung. Die Menschen empfinden sich als individuelle Bürger und Mitgestalter des kulturellen Lebens. Erstmals seit der Antike werden wieder Figuren in Stein dargestellt. Jesus, Maria, Heilige und Könige schauen dem Betrachter direkt in die Augen. All das und viel mehr bietet die Kathedrale von Chartres mit ihren insgesamt über 10.000 Figuren in Glas und Stein. Mit einem Gewand der Jungfrau Maria als bedeutender Reliquie zieht sie im Mittelalter viele Pilger an, was den bis zu 10.000 Einwohnern der Stadt Chartres zu Gute kommt. In der Notre Dame von Chartres ist im 13. Jahrhundert das Zentrum der Marienverehrung in Europa. Doch dieser „Kraftort“ ist vielschichtig. Es finden sich hier Spuren von keltischem Schamanismus (die „schwarze Maria“als „Göttin“) neben Statuen von Aristoteles (als Symbol der Rationalität).
Die Portale
Die Westfassade mit den beiden über 100 m hohen Türmen hat mit ihren drei Portalen die ältesten erhaltenen gotischen Plastiken (von 1143) zu bieten. Die Skulpturen sind erstaunlich naturgetreu, Kleidung und Haare detailliert herausgearbeitet. Im rechten Portal, wo sich heute der Haupteingang befindet, wird im Tympanon (über der Tür) die „Menschwerdung Jesu“ gezeigt, in der Mitte sitzt Maria mit dem Kind auf dem „Thron der Weisheit“. Im mittleren „Königsportal“ ist das „Jüngste Gericht“ dargestellt und im linken Portal Christi Himmelfahrt.
Christian Salvesen