Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Schleichend und dennoch plötzlich wurde mir alles zu viel. Sie wollte einfach nicht mehr gelingen, meine geliebte Gedankenstille. Der (vermeintlich) Schuldige war schnell gefunden: Ein Soziales Netzwerk.

Der gute Gedanke - VISIONEN-Essay von Katja Niedermeier

Während meiner morgendlichen Meditation im Wald stellte ich fest, dass ch nicht abschalten konnte. Mal wieder nicht und die Male häuften sich. Also beobachtete ich brav meine Gedanken, wie sie in einer Girlande an mir vorbeizogen: Selfies, Status-Updates, Weisheiten, Meinungen und zwischendrin empörte Aufschreie zur politischen Lage, Tiere, die niedliche Dinge taten und Menschen die Entsetzliches mit Tieren anstellten. All das raste in einem nimmermüden Potpourri durch meinen Kopf.

Facebook sollte dringend ein paar Runden ohne michdrehen. Manches, was gepostet wurde, kam mir fürchterlich weichgespült vor oder aber zu abgebrüht.  Vieles sah ich zum wiederholten Male und Anderes hätte ich am liebsten nie gesehen. Manches war zwar hübsch anzuschauen, aber grässlich anzuhören oder  umgekehrt. Und immer wieder wurde ich mit Belehrungen, Belanglosigkeiten und ungefragten Ratschlägen konfrontiert, um die ich nie gebeten hatte. Ich  selbst war nicht besser! Stille? Welche Stille?! Ich merkte: abschalten geht anders. Ganz anders.

Schon öfter hatte ich mich dabei ertappt, wie ich den „Gefällt mir“-Button klickte, nur weil ich jemandem ein freundschaftliches „Like“ schenken wollte und  nicht etwa, weil ich das, was ich da sah, wirklich so irre faszinierend fand. Prägende Werte wie Integrität und Achtsamkeit gingen mir im virtuellen Bohei  immer mehr durch die Lappen, wie ich unbequemerweise mir selbst gegenüber eingestehen musste.

Eine Zeitlang hatte ich noch gedacht: Wenn jemand etwas postet, was ihn bewegt oder worauf er stolz ist oder was ihm Freude bereitet, dann darf das ja wohl   guten Gewissens mit einem vernetzten Schulterschluss meinerseits gewürdigt werden. Und natürlich fühlt es sich sehr fein an, wenn das eigene Statement, das  eigene Bild samt Hashtag #nofilter und der eigene Blogartikel innerhalb weniger Minuten viele, viele Male ein fröhliches „Daumen hoch!“ bekommt. Schließlich  zeigt mir das: ich werde gesehen! Was ich hinausposaune wird wahrgenommen! Ich bin heute also entweder sehr witzig, sehr schön, sehr unterhaltsam, sehr  weise oder gleich alles zusammen und jeder und sein Bruder und auch dessen Freundin haben es mitbekommen. Wo bleibt mein Pokal?!

So profan oder hirnrissig das alles klingen mag (vor allem für diejenigen, die sich tapfer und standhaft gar nicht erst in den Sozialen Netzwerken tummeln): für  Selbständige wie mich kann sich Online-Stille wie eine Geschäftsaufgabe, ja, wie wahrhaftiger Business-Suizid anfühlen. Versuchen Sie, eine erfolgreiche Firma  ausfindig zu machen, die keine Seite auf Facebook hat!?!

Ich gehe selten und ungerne Kompromisse ein, denn oft genug haben sie etwas Fauliges an sich. Hier mache ich nun eine Ausnahme in Sachen Auszeit,  Ausruhen und Ausnetzen: Ich behalte meinen Account und halte meine Klappe. Einfach mal still sein. Wenn Sie diesen Text lesen, sind übrigens gute 2 Monate vergangen. Es wird sich die erste Zeit wie ein Entzug anfühlen, denn das Belohnungssystem in unserem Gehirn gewöhnt sich sehr schnell an solche Dinge wie  „Likes“ und mein Gehirn ist in dieser Hinsicht enorm trainiert. Immerhin besaß ich schon ein Facebook-Profil als es Facebook in deutscher Version noch gar  nicht gab. Meine Cousine aus Südafrika hatte mich damals dazu eingeladen. Das war glaube ich im Jahr 2007 oder 2008. Damals ging es noch um den Austausch von Familienfotos.

Integrität und Achtsamkeit sind Werte, die mein Leben ereichern, und mit denen ich das Leben der Menschen in meinem Leben bereichern möchte. Wenn ich  jemandem sage „Ich kann nicht“, dann kann ich nicht. Wenn ich nicht will, dann sage ich „Nein.“ Oder ich sage „Ich will nicht.“ Man wird mich nicht sagen hören  ach, das wird schon wieder“ wenn ich „vergiss es“ meine. Und wenn ich sage „das schaffst du“, dann bin ich davon überzeugt. Ich halte nicht viel von  „unaufrichtigem Positivismus“, der sich als „positive thinking“ verkleidet. Positivität und Zuversicht kommen aus dem Herzen und sind etwas, das wir fühlen können. Bleibt beides im Verstand stecken ohne hinab zu wandern in die Gefühlszentren Herz und Bauch, dann bleiben selbst kraftvollste Worte schwach.

Ich habe mich dabei ertappt, wie ich zwar wertschätzend die Inhalte meines Netzwerks mit „gefällt mir“ markiere, dabei aber peu-à-peu meine Integrität kompromittiere. Ein bisschen zumindest. Nichts Dramatisches. Aber eben doch so, dass ich nicht mehr still werden konnte. Das Ganze ist mir direkt ein wenig  peinlich. Erstens, weil ich so lange mit dem Rückzug gewartet habe, zweitens, weil ich ihn für so erwähnenswert halte, dass ich gleich ein ganzes Essay darüber  schreibe und drittens, weil ich nicht immer so integer und durch und durch aufrichtig war, wie es mir selbst wichtig ist. Ablenkung erkannt, Ablenkung gebannt. Ab jetzt bin ich achtsamer, übernehme wieder das Steuer und merke schon jetzt beim Schreiben, wie ich innerlich ruhig werde. Wir sehen uns Anfang Mai auf  Facebook! Oder auch nicht… Wir werden ja sehen.

Über unsere Essayistin

essay Katja niedermeierKatja Niedermeier ist gebürtige Sauerländerin und arbeitete im In- und Ausland beim TV und in der Musikindustrie. Seit 2001 unterstützt sie Menschen im Rampenlicht sowie Unternehmer/innen intuitiv, energetisch und strategisch. Sie entwickelte das Workshop- und Fern-Mentoring-Programm „Karma Business“ basierend auf buddhis-tisch inspirierten Erfolgsstrategien und ist die Autorin der beiden Ratgeber „Gelassenheit im Job“ und „Gut gelaunt erfolgreich“ (Beck-Verlag). www.k-acht.com

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Katja Niedermeier

Foto(s): Thinkstock

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