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Kraft aus dem Gebet

In allen schwierigen Situationen, wenn die eigenen Bemühungen sich wirkungslos zeigen, bleibt uns als letztes Mittel immer noch das Gebet. Beten hilft immer, aber nicht immer so, wie wir es uns wünschen und erhoffen.

Der Mensch neigt von Natur aus zum Gebet, jeder betet dann oder wann, in welcher Form auch immer. Der Gläubige und der Glaubenslose, der Mann Gottes und ein Mensch, der nicht an Gott glaubt: alle beten, jeder natürlich auf seine eigene Weise. Die Notwendigkeit für ein Gebet ergibt sich allgemein dann, wenn man sich in Bedrängnis befindet oder unter dem Druck einer furchtbaren Krankheit steht, wenn man in irgendeiner ungewöhnlichen physischen oder spirituellen Not Linderung und Erleichterung begehrt, oder aber wenn man gegen feindliche und dunkle Mächte ankämpfen will. Unter solchen Umständen erkennt der Mensch, dass er sich durch seine eigenen Anstrengungen, ohne Unterstützung, nicht die Erfüllung und Zufriedenheit sichern kann, die er zu seinem Glück braucht. In seiner Hilflosigkeit sucht er Kraft im Gebet. Aber zu wem beten wir? Das Gebet ist der Schrei der notleidenden Seele an eine Macht, die vollkommener und größer ist als sie selbst, um Beistand und Hilfe. Wir beten immer zu einem, dem wir vertrauen, dass er kompetent ist und uns geben kann, wonach wir verlangen. In weltlichen Dingen suchen wir die Hilfe von Menschen, die intelligenter und fähiger sind als wir. Und dann, wenn alle irdischen Hilfsquellen versagen, rufen wir Gott – die größte Kraft, die man sich denken kann – im Gebet um Hilfe an. Als erstes sollten wir also ganz davon überzeugt sein, dass es wirklich Gott gibt oder dass einer da ist, der auf unsere Gebete hört. Alle spirituellen Schulungswege stimmen darin überein, dass ein Gebet am Sitz der Seele (hinter dem Dritten Auge) alle latenten Kräfte der Gottheit im Innern mobilisiert und dass man auf diesem Weg spirituelle Glückseligkeit erleben kann. Deswegen sollten wir uns zum Gebet allein in unser Zimmer zurückziehen und uns still nach innen wenden. Das Erfolgsgeheimnis liegt im direkten Gebet, der Anrufung der in uns anwesenden Gotteskraft – Er ist die Seele unserer Seele.

Herz und Kopf in Einklang

Welche Art von Gebet wird erfüllt? Als erstes solltest du dein Herz fragen, was es will. Das Herz umfasst nicht unbedingt das, was man sagt oder denkt. Manchmal will man etwas und denkt, es wäre gut für einen, aber das Herz will etwas anderes – das Herz stimmt nicht mit dem Kopf überein. Herz, Zunge und Gedanken sollten miteinander in Einklang sein. Nur das Gebet wird erhört, das aus dem Herzen kommt und mit unserem Mund ausgesprochen wird und das unsere Gedanken nicht anzweifeln. Wenn du zu Gott betest und nicht darauf vertraust, dass er existiert oder wirklich imstande ist, deine Bitte zu erfüllen, wie sollte dein Gebet erhört werden? Dein Gebet sollte aus dem Herzen kommen, und Zunge und Verstand sollten dasselbe sagen wie dein Herz. Sie sollten nicht voneinander abweichen – ein solches Gebet wird erhört. Christus sagte: „Wenn ihr zu Gott betet, bekommt ihr vielleicht eine Antwort, aber ganz sicher ist es nicht. Wenn ihr Gott in meinem Namen bittet, sind die Chancen schon größer, dass er euch erhört – bittet ihr aber mich selbst, bekommt ihr was ihr wollt.“ Was bedeutet das? Damit wollte er betonen, dass ein an ihn gerichtetes Gebet sicher erfüllt wird. Einer, der zu Christus betete, als er auf Erden war, war davon überzeugt, dass Christus existierte, weil er ihn ja sah. Und aus dem gleichen Grund hatte er auch volles Vertrauen in seine Kompetenz. Wenn wir also ganz an den unter uns lebenden Gottmenschen glauben und von seiner Kompetenz überzeugt sind und drittens von Herzen zu ihm beten, muss unser Gebet erhört werden. Die früheren spirituellen Meister sagten, wenn ihr so betet, wird euch Gott bei der Hand nehmen und sagen: „Nun, mein Kind, sag‘ mir, was du willst!“ – Gott wird einem solchen Gebet Gehör schenken, denn er sieht, dass Herz, Mund und Verstand in Einklang sind und du ganz darauf vertraust, dass er dich erhören wird.

Stufen der Hingabe

Wenn du voller Zuversicht und von Herzen betest und voll darauf vertraust, dass der Eine zu dem du betest, existiert und kompetent ist, dann wird es natürlich erhört. Vertrauen hängt mit Hingabe an Gott zusammen. Es gibt verschiedene Grade oder Stufen der Hingabe. Die einen sind voller Hingabe und Vertrauen, die anderen haben weniger Vertrauen in Gott und entsprechend weniger Hingabe. In der Mystik wird die Hingabe der Seele an Gott bildhaft verglichen mit der Hingabe und dem Vertrauen, das eine Ehefrau ihrem Mann entgegenbringt. Auf einer ersten Stufe der Hingabe ist die Seele wie eine Frau, die zwar äußerlich ihrem Mann bzw. Gott zugetan ist, in ihrem Herzen aber immer an andere denkt. Die meisten von uns stehen auf dieser anfangenden Stufe der Hingabe an Gott: Wir sind nicht wirklich von Gott überzeugt, wir haben kein Vertrauen in ihn. Manche Seelen sind wie Frauen, die ihrem Mann zugetan sind, aber dafür eine Gegenleistung haben wollen. Und wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, nehmen sie es ihm übel und werden ärgerlich. Diese Art von Hingabe, die an Bedingungen geknüpft ist, ist zweitrangig. Bei der dritten Art von Hingabe an Gott ist die Seele wie eine Frau, die ihren Mann bzw. Gott bittet, wenn sie etwas haben möchte, und ihm treu und zugetan bleibt, egal ob sie es bekommt oder nicht. Aber die vierte und höchste Art von Hingabe trifft man bei jenen Seelen an, die denken: „Mein Mann bzw. Gott weiß doch, wie es mir geht. Er sieht mich täglich und wird sich um meine Bedürfnisse kümmern. Wenn ich ihm so gefalle, wie ich jetzt aufgestellt und versorgt bin, was will ich mehr?“ Solches Gottvertrauen, solche Gelassenheit zeichnet die höchste Stufe der Hingabe aus. Ob du arm oder reich bist, glücklich oder in Not – Gott sieht dein Schicksal. Er weiß, was dein Schicksal für dich vorsieht, und sorgt dafür, dass du es auf jeden Fall bekommst. Schließlich bist du, wie wir alle, ein Kind Gottes. Du kannst Gott dein Anliegen im Gebet vorbringen, aber sei nicht gekränkt, wenn er dein Gebet nicht erhört. Alles hängt von der Hingabe ab, und davon gibt es wie gesagt viele Arten. Es gibt auch verschiedene Grade von Heiligen, je nach dem Grad der selbstlosen Gelassenheit und Hingabe. Die höchste Art von Hingabe ist wie die einer Frau, die ihren Mann um nichts bittet und völlig darauf vertraut, dass er sich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Um Gift oder Gutes beten?

Manchmal will ein Kind unbedingt etwas haben, das außen bunt und verzuckert ist, aber innen schädlich und schlecht für das Kind ist. Was wird da seine Mutter tun? Sie wird das Kind zu beschwichtigen suchen und sagen: „Gut, mein Kind, ich werde es dir bestimmt geben“ und dennoch wird sie es ihm trotz seines Bettelns nicht geben. Manchmal ist das, worum wir bitten, nicht wirklich in unserem Interesse, und der göttliche Schöpfer wird es uns nicht geben. Worum sollen wir also beten? Manchmal bitten wir um etwas Bestimmtes, und wenn wir es bekommen, dann reut es uns und wir bitten Gott, es wieder von uns zu nehmen. Aber wenn wir beten: „O Gott, gib uns das, was wirklich zu unserem Besten ist“, so ist dies das ideale Gebet, und er wird es erfüllen. Er weiß, was wirklich in unserem Interesse ist – und er wird uns kein Gift geben! Manche Menschen sind reich, andere arm. Manche leben nur kurz, andere leben lang. Manche sind glücklich, andere in Not. Unsere Lebensumstände und unsere Versorgung mit den Gütern dieser Welt sind die Auswirkung früherer Handlungen und daher nicht zu vermeiden und auch nicht zu ändern. Meist bitten wir Gott um Dinge dieser Welt, bedenken aber nicht, dass sie uns nach dem Gesetz des karmischen Ausgleichs vielleicht gar nicht zustehen. Und was uns zusteht, das wird uns ohnehin zur rechten Zeit erreichen. Warum aber beten wir nicht zu Gott um spirituelle Güter, um Erfüllung unserer spirituellen Sehnsucht? „O Gott, ich möchte dich finden, komm zu mir oder ziehe mich näher zu dir!“ Eines Abends saß ich bei meinem Meister, und Dr. Julian Johnson war auch dabei. Es war ungefähr zehn Uhr an einem Winterabend. Johnson stellte dem Meister eine Frage: „Ist es notwendig zu beten?“ Der Meister antwortete unserem Verständnis entsprechend: „Die Arbeit des spirituellen Schülers ist es zu beten – aber um etwas Höheres, nicht um Dinge dieser Welt.“

Den Besucher eintreten lassen

Wenn ein spirituell Suchender noch nicht vollkommen ist, fordert er, will er etwas von Gott haben. Wenn wir beten wollen, sitzen wir da wie Hochleistungssportler vor einem Wettkampf und denken, jetzt müssten wir uns durch eigene Anstrengung, aus eigener Kraft zu Gott erheben. Aber so geht es nicht. Du solltest dich ohne Ehrgeiz und Erfolgswunsch hinsetzen und demütig beten: „O Gott, hilf mir, hilf mir bitte zu dir hinauf – ich stehe vor Deiner Tür, bitte erhebe mich zu Dir!“ Vor Gottes Tür zu sitzen, zu warten und alle Hoffnung in ihn zu setzen – diese Art von Gebet wird dir helfen. Du wirst einen Auftrieb erhalten und spüren, wie du innerlich erhoben wirst. Aber wenn du dich groß und stark machst und Gott bedrängst, wie könnte Gott zu dir kommen? Stell dir vor, du bekommst Besuch, machst die Tür auf und sagst: „Komm doch bitte herein!“, trittst aber nicht zur Seite, wie kann der Besucher da eintreten? Gott ist dein Schöpfer, und du bist aus ihm hervorgegangen. Du solltest geradewegs zu ihm gehen, ohne Vorbehalte, wie ein Kind zu Vater oder Mutter. Es ist so, wie Christus sagte: „Lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran; denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Markus 10.14). Es ist notwendig, diese Dinge richtig zu verstehen und umzusetzen, damit wir uns spirituell entfalten können. Es genügt nicht, sie nur zu verstehen, man muss auch danach leben. Das ist der springende Punkt.

 Sant Kirpal Singh

Sant Kirpal Singh
(1894 – 1974) wirkte von 1948 bis zu seinem Tod als spiritueller Meister des Surat-Shabd-Yoga. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der „Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich im Osten wie im Westen große Achtung und Sympathie.

FOTO: gettyimages

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