Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Welt retten

Enkeltauglich leben – Spielend das eigene Leben verändern und damit die Welt ein bisschen besser machen.

Leuchtende Augen, gerötete Wangen und begeistertes Lächeln – so oder so ähnlich sehen die Teilnehmer*innen aus, wenn der erste Enkeltauglich-Leben-Spielabend zu Ende geht. Unmittelbar stellt sich eine Verbundenheit ein, die sich an dem gemeinsamen Ziel nährt: das eigene Leben ein Stück weit verändern und damit die Welt ein bisschen besser machen. Die 5 bis 10 Teilnehmer*innen werden sechs Monate lang von dieser emotionalen Welle getragen und spornen sich gegenseitig an, noch mehr, noch besser, noch nachhaltiger, noch solidarischer, noch wertschätzender, noch gerechter zu leben.

Kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Sie organisieren Reparatur-Cafés, Kleidertausch-Partys oder ordnen einfach nur die eigenen Verhältnisse. Sie bemühen sich um wertschätzende Kommunikation mit Kindern und Partner, um eine bessere Lebensbalance oder gerechte Aufteilung der Pflegearbeit in der Familie. Sie bedanken sich bei Straßenkehrer*innen und SupermarktKassier*innen oder essen einen Monat lang vegan. Ganz unterschiedlich sind die Aufgaben, die sie sich für 4 Wochen vornehmen, um dann der Gruppe zu berichten, wie gut es ihnen gelungen ist, und sich Feedback zu holen. Dafür gibt es Punkte. Doch es geht nicht um Konkurrenz – wer ist der oder die Beste? – das Ziel ist, als Gruppe zusammen so viele Punkte wie möglich zu machen. Diese werden in Baumpflanzungen investiert, um CO2 zu binden. Das Spiel schafft eine Win-Win-Win Situation. Es macht die Teilnehmer*innen und ihr Umfeld glücklicher und nachhaltiger und es leistet einen Beitrag zum Klimaschutz.

Das ist umso erstaunlicher, als die meisten Menschen heute zwar anerkennen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe, Ungleichheit und Ungerechtigkeit auf der Welt sowie schwindenden Ressourcen weiß jedes Kind: Es ist Zeit für Veränderung. Doch diese hat ein schlechtes Image: Man verbindet sie mit Verzicht und Verzicht ist in einer Welt, in der alles immer verfügbar ist und in der wir es uns gern so leicht wie möglich machen, nicht gerade beliebt. Verzicht auf das eigene Auto, auf Flugreisen in alle Welt, auf Erdbeeren im Winter, das tägliche Stück Fleisch, auf schnelle Gewinne durch Investments. Wer will das schon? Es tut weh, ist anstrengend, unangenehm und schnell ist eine Erklärung für „Weitermachen wie bisher“ gefunden: Was soll ich allein schon ändern?!

Inspiration durch Gemeinschaft

Die Gruppenkraft ist eine große Stärke des Spiels, aber auch das Herunterbrechen auf bewältigbare Aufgaben, die einen Bezug zum eigenen Leben haben. Damit wird das Große machbar und es stellt sich eine gewisse Leichtigkeit ein. Das Punkte-Sammeln wird zum Antrieb, ob man will oder nicht. Im Miteinander-Sprechen und Sich-Einlassen auf die Ideen und Vorstellungen Gleichgesinnter entsteht Inspiration für das eigene Leben.

Spätestens wenn beim ersten Treffen nach vier Wochen über die Frage „Wer bekommt am Ende die 100g-Tafel Bio-Fairtrade-Schokolade?“ systemisch konsensiert wird und so gut wie nie die Option „Der oder diejenige mit den meisten Punkten“ als Lösung herauskommt, sind die Teilnehmer*innen eingeschworen. (Infos zum Systemischen Konsens unter sk-prinzip.eu) Die Methode dient dazu, Entscheidungen mit der größtmöglichen Akzeptanz einer Gruppe zu finden, indem viele – und seien sie verrückte – Lösungsmöglichkeiten gesammelt und dann Widerstände abgefragt werden. Dabei werden Polarisierung und Lagerbildung aufgeweicht, und das Ringen um die eigene Lieblingslösung verliert völlig an Bedeutung. Auf die Frage nach der Schokolade kommen die unterschiedlichsten Antworten – und so gut wie immer gewinnt am Ende eine gerechte und solidarische Lösung.

Zwischen den Terminen werden Rezepte ausgetauscht, Social Media-Beiträge geteilt und Leser*innen-Briefe geschrieben. Außenstehende schütteln manchmal den Kopf und können nicht nachvollziehen, warum die Lust an der Veränderung und am Verzicht so beflügelnd ist. Man muss Teil des Prozesses sein und sich erfassen lassen, um die Freude zu spüren. Nach 4 bis 6 Treffen bleibt meist eine Gemeinschaft, die sich auch weiterhin fürs Weltretten engagiert.

Immer mehr Menschen werden auf das Konzept aufmerksam – das Buch „So klappt’s mit dem Weltretten“ ermöglicht Leser*innen, selbst eine Gruppe zu initiieren und anzuleiten. Am wichtigsten ist der erste Funke der Begeisterung, der überhaupt erst dazu bewegt, dem Weltretten Zeit zu widmen. Wenn erste Einwände wie „Ich hab doch gar keine Enkel“ oder „Ich hab keine Zeit dafür“ mit „Schmäh“ entkräftet sind, dann steht der Veränderung nichts mehr im Wege. Und aus einem kleinen Schneeball wird eine Lawine, die Gewohnheiten auflöst und Raum für eine wunderbare neue Welt schafft.

„Enkeltauglich Leben“ – Das Spiel

Das Katholische Bildungswerk Traunstein ist ein kleiner Verein im südöstlichsten Teil Bayerns. Es ist seit 1973 für die offene Bildung von Erwachsenen im Landkreis Traunstein zuständig. Im Jahr 2014 holte es im Zuge des „Festivals der Utopie“ verschiedenste Visionäre, welche sich zu einer nachhaltigen Zukunft Gedanken machen, in den Landkreis. Mit dabei war auch Christian Felber, der geistige Gründer der Gemeinwohlökonomie. Angesteckt von dessen Ideen wurde im Jahr 2017 ein Projekt zur Gemeinwohlökonomie geplant. Quasi ein Zufallsprodukt des Projekts war das Spiel „Enkeltauglich Leben“, das vor Ort so begeisterte, dass es bald seine Ausbreitung über den Landkreis hinaus fand. Zwei Jahre später, also 2019, wurde das Spiel bereits 52-mal in ganz Deutschland und Österreich gespielt und findet weiterhin Verbreitung.

Anja Haider-Wallner inspiriert als Unternehmensberaterin und Trainerin zu einem nachhaltigen, genussvollen und selbstbestimmten Leben. Sie ist Enkeltauglich-LebenSpielleiterin, (Kochbuch-) Autorin und hat ein Café mit sozial-ökologischem Mehrwert mit gegründet. Die 40-Jährige lebt mit ihren zwei Kindern und ihrem Lebensgefährten im Osten von Österreich. Ihre 14-jährige Tochter Mona hat ihre Sicht zum Buch „So klappt’s mit dem Weltretten“ beigetragen.

Information & Inspiration:
Anja Haider-Wallner: So klappt’s mit dem Welt-Retten. Mankau Verlag, 2020. Klappenbroschur, 158 S., farbig, mit Spielplanposter (41,6 x 32 cm). ISBN-978-3-86374-550-9.
Foto-Credits: Mankau Verlag/ Birgit Machtinger

FOTO: Mankau Verlag/Birgit Machtinger

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