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Sich selbst als ein allbewusstes Wesen zu erkennen, das legen uns die spirituellen Meister aller Zeiten und Kulturen ans Herz. Denn damit beginnt der Pfad der Liebe und des Friedens.

Der Mensch ist eine bewusste Wesenheit, die sich durch den Geist und den physischen Körper zum Ausdruck bringt. Als ein bewusstes Wesen muss der Mensch zuerst das Selbst erkennen, um dann im Gottesbewusstsein zu leben. Solange er jedoch von seinem Gemüt mit seinen materialistischen Bestrebungen dominiert wird, kann er das Selbst und Gott nicht erkennen. Wenn das Gemüt – das Denken und Fühlen – vor allem dem physischen Körper und seinen Bedürfnissen zugewandt ist, wird der Mensch materialistisch gesinnt; die Folgen sind Habgier, Missgunst und Streit. Wenn es jedoch auf die Seele ausgerichtet ist, wird der Mensch vergeistigt, und das Ergebnis ist Liebe und Frieden.

Konflikte beginnen im Denken

In der Präambel der UNESCOVerfassung heißt es, dass der Krieg im Denken der Menschen begann und sie seitdem auch glauben, Verteidigungsmaßnahmen zur Erhaltung des Friedens treffen zu müssen. Alle spirituellen Meister früherer Zeiten lenkten jedoch die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Reinigung ihres Herzens. Wenn wir das Äußere ändern wollen, sollten wir zuerst unsere Herzen ändern, denn, wie Jesus sagte: „Wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über.“ Was hilft es einem, wenn er sich äußerlich wäscht, aber in seinem Herzen die Falschheit sitzt? Reinheit in Gedanken, Worten und Taten ist erforderlich. Die Welt beginnt zu dieser Wahrheit zu erwachen.

Dennoch herrschen in der Welt nach wie vor Gewalttätigkeit und Hass; die Idee der Ungleichheit von Menschen und Rassen wird nach wie vor vermittelt und gelebt. Manche lieben es, über andere zu herrschen, überfordern sie und pressen sie aus, so viel sie können, und wollen wenig oder gar nichts dafür geben. All dies ist uns zur Gewohnheit und zur zweiten Natur geworden. Wie können wir unseren Sinn ändern und ihn einem höheren Ziel zuwenden?

Der Mensch ist so viel mehr als sein Denken. Der Mensch ist aus Körper, Gemüt (Intellekt) und Seele zusammengesetzt. Wir haben rundum alle zu entwickeln. Wir haben uns physisch, sozial und politisch entfaltet. Wir sind intellektuelle Riesen geworden und haben wundervolle Erfindungen gemacht. Dabei sind sowohl der physische Körper wie auch der Intellekt für ihr Fortbestehen auf die lebendige Seele innen angewiesen, über welche wir wenig oder gar nichts wissen.

Da wir uns nicht selbst als wahrhaft spirituelle Wesen erkannt haben, richten sich alle Fortschritte, die wir auf der physischen und intellektuellen Ebene gemacht haben, gegen uns. Wir haben die Kräfte der Natur unter unsere Kontrolle gebracht, ohne Erkenntnis unseres eigenen Selbst zu erlangen. Das ist der Grund, warum die verschiedenen Erfindungen bei der Vernichtung der Menschheit mithelfen. Wenn wir uns selbst erkannt hätten, bevor wir die Kontrolle über die Naturkräfte erwarben, würden wir all diese wundervollen Erfindungen zu unserem Wohl einsetzen.

Alle Meister der alten Zeit – Buddha, Nanak, Christus und der Prophet Mohammed – mahnten deshalb: „Erkenne dich selbst!“ Und um uns selbst zu erkennen, müssen wir uns durch praktische Selbstanalyse über das Körperbewusstsein erheben.

Selbsterkenntnis in der Praxis

Es ist eine praktische Erfahrung, nicht bloß eine Frage von theoretischem Wissen. Du musst wissen, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt, um zu erkennen, wer und was du bist. Rein verstandesmäßig wissen wir so viel darüber, aber praktisch wissen wir wenig oder gar nichts. Gott kann nicht durch den Intellekt, durch die nach außen strebenden Kräfte oder durch Prana erkannt werden. Es ist einzig die Seele, die Gott erkennen kann. Wenn wir nicht erkennen, wer wir sind und was wir sind und welches unsere Beziehung zu Gott und zur ganzen Schöpfung ist, können wir nicht völlig in Frieden sein.

Es geht um das Aufsteigen der Seele über das Körperbewusstsein und das Öffnen des inneren Auges oder des Einzelauges, um durch praktische Selbstanalyse das Licht Gottes zu sehen, das wir vergessen haben. Dies ist eine alte, alte Wissenschaft. Alle spirituellen Meister, die in der Vergangenheit kamen, die in dem einen oder anderen Land auftraten, waren mit diesen Tatsachen völlig vertraut, aber leider sind sie in Vergessenheit geraten.

Können wir über das Körperbewusstsein aufsteigen, das ist die Frage. Können wir den Körper verlassen und dann wieder zurückkommen? Maulana Rumi sagte: „Freunde, lernt zu sterben, sodass ihr das ewige Leben haben könnt.“

Ethisch leben

Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Mensch ein ethisches Leben führen, welches das Sprungbrett zur Spiritualität ist. Christus sagte: „Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Und von Guru Nanak wissen wir: „Seid rein, damit die Wahrheit verwirklicht werden kann.“ Aber während wir uns eifrig um ein moralisches Leben und uns zumindest verstandesmäßig um Solidarität mit den Mitmenschen bemühen, haben wir vergessen, den spirituellen Aspekt unseres Daseins zu entwickeln, welcher der wichtigste von allen ist. Er ist ein verbindender Faktor, der die ganze Menschheit durchdringt.

Wir alle verehren dieselbe Gotteskraft, welche mit so vielen verschiedenen Namen benannt wird. Sie ist die eine Realität, die in allem wirkt. Deshalb ist die ganze Menschheit eines.

Gott ist alles Bewusstsein. Gott schuf den Menschen, beseelte Körper. Wir alle sind bewusste Wesen, vom selben Geist wie Gott. Es gibt eine allem zugrunde liegende Einheit, und deshalb sind wir Brüder und Schwestern im wahren Sinne des Wortes und bilden die universale Bruderschaft, die verwirklicht werden kann, wenn die sehr nötige innere Einheit verwirklicht wird.

Diese spirituelle Einheit ist uns so lange nicht bewusst, wie unsere Seele von Gemüt und Materie umhüllt und verdunkelt ist. Wenn wir uns aus der Gebundenheit an Gemüt und Materie befreien, finden wir, dass wir bewusste Wesen – Seelen – sind. Wir sind sozusagen Tropfen vom Meer des Lebens. Wenn wir uns selbst erkennen, indem wir uns vom physischen Körper loslösen und uns selbst als spirituelles Wesen analysieren, werden wir die Welt von dieser Ebene aus begegnen. So haben wir ein sehr starkes Fundament, auf dem wir fest stehen können, nämlich das Gottesbewusstsein.

Ohne Liebe kein Frieden

Die Meister gaben zwei weitere wichtige Gebote: Erstens: Liebe Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und zweitens: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; denn Gott wohnt in allen Herzen.

Nur wenn unser inneres Auge, das Einzelauge oder das latente Auge, geöffnet ist, nur dann werden wir dasselbe Licht Gottes sehen, das durch alles hindurch wirkt. Dann werden wir wahre Liebe für alle haben und wirkliche Achtung für alle Schriften, die von den früheren Meistern hinterlassen wurden. Alle Schriften sagen, dass Gott der ganzen Schöpfung innewohnt WEISHEIT und jeder Form zugrunde liegt. Guru Nanak sagte: „Wir sind alle Glieder derselben Familie Gottes.“ Alle anderen Heiligen sagten dasselbe. Darum sollten wir alle lieben – Gott zu lieben und die ganze Menschheit zu lieben sind die zwei wichtigsten Grundlagen oder Hauptgebote, an welchen das Wirken aller Meister hängt. Wenn wir ihnen in unserer Lebenspraxis folgen, wird Frieden auf Erden sein; je mehr dies beherzigen, desto mehr leben in Frieden und desto geringer wird die Gefahr für einen Atomkrieg.

Ohne die Liebe gibt es in der Welt keinen dauerhaften Frieden, und ohne dass der spirituelle Aspekt im Menschen verwirklicht ist, kann man keine Liebe haben. Gott ist Liebe, und unsere Seelen sind vom selben Geist wie Gott; so ist die Liebe von Geburt an in uns. Der Sufi Shams-i Tabrisi sagte: „Auch wenn ihr die Rituale verrichtet oder 100 Jahre lang betet, solange ihr durch dieses Tun nicht die Liebe zu Ihm entwickelt, könnt ihr nichts vom Mysterium Gottes wissen.“ Die Bibel sagt das Gleiche: „Jene, die nicht lieben, können Gott nicht erkennen.“

Fünf Pfeiler des Friedens

Wer Gott liebt, der liebt alle Meister und Propheten. Mit der Liebe zur ganzen Menschheit und der übrigen Schöpfung wird er alle heiligen Schriften und alle heiligen Orte lieben und die Pilgerstätten respektieren. Einer, der Gott liebt, wird nie daran denken, einen anderen in Gedanken, Worten und Taten zu behelligen. Er wird:

  • das Prinzip der Gewaltlosigkeit (ahimsa, Harmlosigkeit), wel- ches das höchste aller Gesetze ist, in all seinem Handeln beachten;
  • ein Leben der Wahrhaftigkeit führen;
  • einen edlen Charakter haben;
  • Liebe für alle haben, für niemanden Hass;
  • seinen Mitmenschen selbstlos helfen und dienen, zum Wohl der ganzen Menschheit.

Dies sind die fünf Pfeiler, auf welchen die Stätte des Friedens errichtet werden kann. Und diese fünf Pfeiler werden gefestigt durch die Entwicklung des inneren spirituellen Kontaktes. Solch ein Gottliebender sieht die ganze Welt als Haus Gottes und die verschiedenen Länder als so viele Räume darin.

 Sant Kirpal Singh

Sant Kirpal Singh, (1894 – 1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der „Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich im Osten wie im Westen große Achtung und Sympathie. Bei der neunten Generalversammlung der UNESCO am 3.11.1956 in Neu-Delhi hielt er einen Vortrag zum Thema “Weltfrieden im Atomzeitalter”, dem die obigen Auszüge entnommen sind.

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Foto(s): gettyimages

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