Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Willigis Jägers (1925–2020) tritt 1946 in den Benediktinerorden ein, beginnt 1969 seine Zen-Praxis in Japan, gründet 2003 den Benediktushof – Zentrum für Meditation und Achtsamkeit, 2009 die Zen-Linie Leere Wolke, 2012 die Kontemplations-Linie Wolke des Nichtwissens.

 Eins sein sowie Verbundenheit mit sich und der Welt stehen im Mittelpunkt seiner Lehre, seines Lebens, und sprechen bis heute viele Menschen an. Sein Wirken beeinflusst viele Gefährten, die heute als Lehrende ihre Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben.

Das Willigis-Jahrhundert Vom 19. – 21. November 2021 trafen sich Weggefährt*innen des im März 2020 verstorbenen Willigis Jäger im Benediktushof. Sie kamen, ihn zu ehren und die Bedeutung seines spirituellen Erbes für die Zukunft zu diskutieren. 250 Personen waren vor Ort oder online dabei.

Darunter Pater Anselm Grün, Jon Kabat-Zinn (online), Gert Scobel, Sylvia Kolk und Shura Lipovsky. Sie vertraten unterschiedliche Perspektiven und Epochen aus dem Leben und Wirken von Willigis Jäger. Nachfolger und Mitglied der spirituellen Leitung Alexander Poraj moderierte gemeinsam mit Angela Krumpen, Präsidiumsmitglied in der Willigis-Jäger-Stiftung, die dreitägige Veranstaltung. Kerstin Rudolph, Mitarbeiterin der Stiftung, verdeutlicht das Anliegen des Symposiums:

Uns haben bestimmte Aspekte von Willigis‘ spirituellem Weg geleitet:

  • sein Interesse am Dialog mit der Wissenschaft: wo findet sich spirituelle Erfahrung in wissenschaftlichen Disziplinen wieder?
  • sein Transfer in den Alltag, auf den „Marktplatz“, wo spirituelle Erfahrung in konkretes Handeln mündet – was bedeutet das für unsere Gesellschaft?
  • Willigis christliche Wurzeln, die ihn sein Leben lang begleitet haben
  • sein Übersteigen religiöser Dogmen zugunsten einer transkonfessionellen Spiritualität.

Jon Kabat-Zinn zuerst am Benediktushof

Die ersten MBSR-Kurse in Europa fanden hier statt – seither hat Kabat-Zinns Mindfulness Based Stress Reduction neben Zen- und Kontemplation eine wichtige Stellung im Programm des Hauses. Die Erfahrung von Einheit und Verbundenheit bedarf einer regelmäßigen Übung. Jon Kabat-Zinn war zum Symposium live aus den USA zugeschaltet und wurde simultan übersetzt: Wir werden mit Bewusstheit geboren, aber um sich einen Zugang dazu zu erschließen, braucht es die Übung. Menschen dies zu ermöglichen, dafür haben er und Willigis Jäger gleichermaßen Räume geschaffen.

Auch Gert Scobel, katholischer Theologe und TV-Moderator, meditierte bereits früh in Zen-Sesshins am Benediktushof. Das Interesse daran, wissenschaftliche Belege für das in der Meditation Erlebte zu finden, verband ihn mit Willigis Jäger. Gert Scobel empfahl, den Fokus auf die „fundamentale Verbundenheit“ zu richten.

In der reinen Wahrnehmung ohne Wertungen könnten auch Entscheidungen, die in ihrer Komplexität eigentlich unentscheidbar sind, getroffen werden. Wer sich nicht in der Dualität zu einem Pol ziehen lässt, sitzt quasi ‚zwischen den Stühlen‘. Dieser Ort finde sich in der Haltung des Gewahrseins. Aus klarem Wahrnehmen heraus könne ein bewussterer Alltag gestaltet werden, in dem ‚unentscheidbare Entscheidungen‘ möglich werden.

Anselm Grün lernt Sport und Latein bei Willigis Jäger

Beide begannen ihren spirituellen Weg in der nahe gelegenen Abtei Münsterschwarzach und lernten sich im Benediktineralltag kennen: Willigis Jäger lehrte damals Sport und Latein am Gymnasium der Abtei – Anselm Grün lernte nicht nur Sport und Latein bei ihm. Beide vertraten im Laufe ihres Werdegangs durchaus unterschiedliche Meinungen, daran ließ Anselm Grün auf dem Symposium keinen Zweifel.

Aber aus der Haltung der Einheit heraus konnten schwierige Gespräche geführt werden, ohne sich darüber zu entzweien: Im Wissen um diese innere Einheit konnten wir uns auch streiten, und es blieb ein Miteinander. Als Ausdruck dieser tiefen Verbundenheit kann man auch Willigis Jägers testamentarischen Wunsch werten, in der Abtei Münsterschwarzach beerdigt zu werden.

Lehre und Meditation

Die in Amsterdam und Paris lebende Sängerin jiddischer Lieder Shura Lipovsky gab ein Konzert für die am Symposium Teilnehmenden. Sie wurde bereits in den 90er Jahren von Willigis Jäger eingeladen, Kurse in jiddischer Mystik zu geben, und erinnerte an eine Szene mit ihm: Weil sie Jesus am Kreuz als Symbol der christlichen Religion zu leidvoll empfand, verwies Willigis Jäger sie auf die Bronzestatue im Garten des Benediktushofes: Da – da lehrt er doch wieder!

Nicht nur die Figur des Im Sitzen lehrenden Christus, die von der Bildhauerin Gisela Drescher gestaltet wurde, prägt das Ambiente des Benediktushofs. Auch die Stele, die seit dem Symposium zum Andenken an Willigis Jäger im Innenhof steht sowie das Symbol der Weltreligionen, wurden von der Münchener Künstlerin gefertigt.

Achtsam bis auf den Marktplatz

Sylvia Kolk, Begründerin des Buddhistischen Stadtzentrums Hamburg, kannte Willigis Jäger nicht persönlich, ist aber genauso überzeugt wie er: der Weg der spirituellen Praxis muss in den Alltag führen. Denn Achtsamkeit allein wird unsere Welt nicht retten. Der ZenWeg sei in der stillen Erfahrung nicht zu Ende, sagte Willigis Jäger einmal in einem Interview. „Der Hirte muss zurück auf den Marktplatz, zurück in den Alltag, um die wirkliche Bedeutung seines Lebens zu begreifen. Es ist der momentane Augenblick, in dem sich sein wirkliches Sein zeigt. Er gelangt so in ein tieferes Verständnis und in eine Verantwortung für sein Leben, das er mitzugestalten hat.

Die spirituelle Praxis muss – gerade in der heutigen Zeit – auch im Leben aktiv werden, betonte Sylvia Kolk. Wer sich mit allem verbunden fühlt, wer einen Moment die Verwurzelung seiner selbst mit allen Wesen in der meditativen Praxis gespürt hat, der schafft auch im Alltag Nähe. Das kann im veränderten Umgang mit Familie, Freunden, Kollegen stattfinden, in lokalen Community-Aktionen oder beim Klimaschutz.

Konfessionen verbinden und überschreiten

Alexander Poraj hob die transkonfessionelle Spiritualität von Willigis Jäger hervor. Verwurzelt in der christlichen Tradition, strebte dieser einen offenen Umgang unter den Konfessionen und Religionen jenseits von Vorstellungen und Dogmen an – aufgrund ähnlicher Tiefenerfahrungen. Alexander Poraj erinnerte daran: spirituelle Erfahrung kann nicht einfach weitergegeben werden. Jeder müsse sie direkt und persönlich vollziehen.

Das Symposium feierte Willigis Jägers spirituelles Lebenswerk und verwies auf seine Relevanz für die Menschen heute sowie auf eine Spiritualität der Zukunft. Daher orientiert sich die Willigis-Jäger-Stiftung in ihren Projekten für Jugendliche und junge Erwachsene an Themen wie dem Klimawandel oder dem Umgang mit Krisen. Auch die spirituelle Lehre am Benediktushof entwickelt sich ausgehend von dem, was Willigis Jäger gesät hat: gegenwärtig sein und gleichzeitig nah an der Essenz des Menschen.

  • Jordis Dony leitet die Öffentlichkeitsarbeit am Benediktushof
  • Das Jahrhundert von Willigis – Zeitzeugen einer Zeitenwende – alle Vorträge des Symposiums wurden aufgezeichnet und können bei Youtube: Benediktushof Holzkirchen angesehen werden: https://west-oestliche-weisheit.de/stiftungssymposium-mit-jon-kabatzinn-gert-scobel-und-anselm-gruen/
  • Ganz Mensch werden – Willigis Jäger und die großen Fragen des Lebens, Angela Krumpen, benediktushof.shop
  • Das Willigis Jahrhundert, Alexander Poraj, benediktushof.shop

www.benediktushof-holzkirchen.de

 Jordis Dony

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FOTO: Daniel Peter

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