Kocku von Stuckrad wurde in Ghana als Sohn christlicher Missionare geboren. Als Religionswissenschaftler verbindet er heute Spiritualität mit Tiefenökologie, Schamanismus mit ‚zarter’ Wissenschaft.
Kocku von Stuckrad helfen seine spirituellen Erfahrungen beim Erforschen des Religiösen. Er engagiert sich für eine Lebensgemeinschaft aller Wesen auf unserer Erde.
Welchen Beruf haben Sie gelernt?
Religionswissenschaftler
In welchem Bereich sind Sie derzeit tätig?
Ich arbeite seit 2009 als Professor für Religionswissenschaft an der Universität Groningen. Außerdem bin ich Co-Direktor der Initiative „Counterpoint: Navigating Knowledge“.
Was möchten Sie sein?
Es wäre wunderbar, wenn ich meine Rolle als öffentlich engagierter Wissenschaftler dazu gebrauchen könnte, Brücken zu bauen zwischen verschiedenen Wissenssystemen und -praktiken. Oft sind diese Brücken durch Ausbeutungssysteme wie Patriarchat, Kolonialismus und Kapitalismus zerstört worden. Für einen Prozess der Heilung setze ich mich für die Emanzipation nichtmenschlichen Wissens und Seins auf dem Weg zu einer „planetarischen Lebensgemeinschaft“ ein.
Was ist Ihr Lieblingsessen?
Ich liebe westafrikanische Gerichte, das hat vermutlich mit meiner frühkindlichen Prägung in Ghana zu tun. Aber auch indisches, thailändisches und italienisches Essen gehört zu meinen Lieblingsspeisen.
Sind Sie Vegetarier? Flexitarier? Veganer?
Ich bin seit über 40 Jahren Vegetarier, und seit fast 10 Jahren Veganer.
Welche drei menschlichen bzw. spirituellen Werte sind Ihnen wichtig?
Aufrichtigkeit, Einfühlungsvermögen, Liebe für alles Lebendige.
Was ist Ihr Traum vom Glück?
Am glücklichsten bin ich fernab von anderen Menschen, im Zwiegespräch mit Landschaften und deren nichtmenschlichen Bewohnern.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Wenn wir es nicht schaffen, das unvorstellbare Artensterben aufzuhalten.
Was bereitet Ihnen Bedenken oder Sorgen in Bezug auf den Planeten Erde oder die Menschheit?
Ich bin fassungslos und traurig über die Art und Weise, wie menschliches Handeln den Planeten mit Zerstörung und Ausbeutung überzieht. Meine Sorge ist, dass unsere Beziehungsfähigkeit zur Mitwelt so stark beschädigt ist, dass wir von der Transformation des Planeten überrollt werden, anstatt einen aktiven Heilungsprozess einzuleiten.
Sind Sie karitativ oder ehrenamtlich engagiert? Wenn ja, wie bzw. wo?
Mit unserer Initiative „Counterpoint: Navigating Knowledge“ versuchen wir, Mitweltbewusstsein in breite Teile der Bevölkerung zu bringen, vor allem durch Gespräche zwischen Wissenschaft, Kunst, Politik und ökologischem Engagement. Außerdem bin ich seit kurzem Mitglied der Tierschutzpartei, um mich auch politisch aktiv für die Mitwelt einzusetzen.
Wann bzw. in welchem Alter haben Sie angefangen, sich für Spiritualität zu interessieren?
Schon als Jugendlicher habe ich mich für spirituelle Traditionen interessiert, damals vor allem für Buddhismus und Meditation. Auch die Astrologie habe ich in der Zeit als spannendes Thema entdeckt.
Meditieren Sie? Wie? Seit wann?
Ich meditiere eigentlich jeden Tag. Ich habe morgens ein kleines Ritual, bei dem ich vor meinem Altar sitze und mich in Dankbarkeit mit den lebendigen Kräften des Lebens verbinde. Ansonsten ist meine spirituelle Arbeit stark von schamanischen Elementen geprägt. Nachdem ich viel mit naturverbundenen Spiritualitäten experimentiert habe, hat mich Jonathan Horwitz in schamanische Praktiken eingeführt – die für mich heute stimmigste Form von Spiritualität. Ich erlebe Meditation als praktische Kommunikation mit nichtmenschlichen Kräften.
Was ist „Gott“ für Sie?
„Gott“ ist eine Erfindung von Menschen, die leider vor allem tragische Konsequenzen für nichtmenschliches Leben auf dem Planeten hatte. Um zu einem gleichberechtigten Miteinander aller Lebensformen zu kommen, scheint mir der Begriff „Gott“ deshalb wenig geeignet. Für eine Mitweltspiritualität wären Begriffe wie „Lebensenergie“ besser, denke ich.
Wie möchten Sie sterben?
Nicht „plötzlich und unerwartet“, sondern im vollen Bewusstsein der großen Transformation, die der Tod bedeutet. Mein Körper soll ein Geschenk an die Mitwelt sein, als Dank für alles, was ich empfangen durfte.
Und dann?
Dann werden sich unzählige Lebewesen an meinem Körper laben, und das macht mich sehr glücklich. Ich selbst lebe noch weiter in der Erinnerung von anderen Wesen, bis auch das irgendwann zu Ende ist.
Was ist Ihre größte Schwäche bzw. Ihr größter Fehler?
Eine tiefgründige Wut.
Was ist Ihre Strategie dagegen?
Mich mit Menschen verbinden, die diese Wut kennen. Mich der Mitwelt öffnen, in der die Wut geheilt wird.
Was machen Sie in Ihren Mußestunden?
Rennradfahren, wandern, Musik hören, Dinge mit meiner Partnerin unternehmen.
Welche Vision haben Sie für die nächsten zehn Jahre?
Den eingeschlagenen Weg fortsetzen und möglichst viele Menschen für die Mitwelt begeistern.
Was sind für Sie die wichtigsten Projekte für dieses Jahr?
Neben einer englischen Übersetzung von Nach der Ausbeutung möchte ich eine überarbeitete Fassung meiner Geschichte der Astrologie herausbringen. Diese soll dann auch die Grundlage für eine englische Übersetzung sein, an der ich zusammen mit Darrel Rutkin arbeiten will.