Die Wirkung von Gedanken wird meist unterschätzt, dabei haben sie eine sehr starke und weitreichende Kraft.
Verletze nie jemand. Das fängt schon in unserem Denken an: Wir verletzen andere, indem wir schlecht über sie denken. Wir denken schlecht über andere, wir haben böse Gedanken. Das ist falsch, da Gedanken sehr mächtig sind. Wenn ihr schlecht über andere denkt, wirkt das sofort und direkt auf sie. Ihr braucht keinem etwas zu sagen – ihr denkt an ihn, und schon ist die entsprechende Ausstrahlung da.
Gedanken sind sehr mächtig
Das veranschaulicht eine altüberlieferte Anekdote: Ein Minister erklärte einst Akbar, einem großen Herrscher Indiens, dass Gedanken sehr mächtig seien und dass wir sehr darauf achten sollten, wie wir über andere denken. Akbar fragte seinen Minister, wie er das meine. Der Minister sagte: „Gut, ich werde es Euch an einem lebendigen Beispiel klar machen. Gehen wir hinaus.“ Also gingen beide nach draußen und sie sahen einen Mann, der in einer Entfernung von etwa hundert Metern auf sie zu kam. „Gebt acht“, sagte der Minister zum König, „denkt Euch nun einfach etwas über diesen Mann, und wenn er herankommt, könnt Ihr ihn fragen, was ihm in diesem Augenblick durch den Kopf ging. Ihr braucht nur schauen und denken.“ Der König dachte bei sich, dass dieser Mann erschossen werden sollte. Der Mann kam näher und der König fragte ihn: „Was ging dir durch den Kopf, als du mich sahst?“ Der Mann sagte: „Verzeiht mir, Majestät, aber ich dachte, dass ich Euch verprügeln und den Schädel einschlagen sollte.“
Gedanken sind also sehr mächtig. Wenn ihr schlecht über andere denkt, werden sie darauf reagieren.
Auf Gedanken folgen Worte
Ihr solltet auch darauf achten, wie ihr mit Leuten sprecht. Wenn ihr jemanden beschimpft und „Du bist verrückt!“ oder Ähnliches zu ihm sagt, oder wenn euch jemand beschimpft und ihr entsprechend reagiert – was wird die Folge sein? Es gibt Streit. Jemand beschimpft euch ein-, zweimal und der Streit ist da. Worte haben ihn ausgelöst – ihre Wurzeln aber sind die Gedanken.
Der Mensch spricht aus, was er im Herzen trägt. Was auch immer darin ist, nimmt die Form von Worten an, und Worte führen dann zum Streit. Verletze also nicht die Gefühle anderer in Gedanken, Worten oder Taten. Sogar wenn an heiligen Orten ein Dutzend Leute zusammen arbeiten, denken sie irgendwann schlecht über einander – mit dem Ergebnis, dass die Gedanken ausstrahlen und alle davon beeinflusst werden.
Das Herz ist der Thron Gottes. Der Körper ist der Tempel Gottes. Wenn ihr den Thron Gottes durch böswillige Gedanken entweiht, wer wird dann dort sitzen? Es heißt: „Gesegnet sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Reinheit ist vor allem, dass man anderen nichts Schlechtes antut – in Gedanken, Worten und Taten. Es gibt noch andere Faktoren, aber dies ist die Hauptsache.
Die Gedanken reinigen
Wenn ihr Gutes über andere denkt, werdet ihr Gutes ausstrahlen. Wenn ihr eure Gedanken reinigt, reinigt ihr damit die Gedanken der anderen. Wenn wir schlecht über andere denken, verunreinigen wir zuerst den eigenen Tempel Gottes und dann die anderen. Äußerlich mögen wir ordentlich und sauber sein, aber unsere Herzen sind nicht rein. Wir sind nicht rein, wenn wir andere in Gedanken mit Schmutz überziehen. Wir alle sind, bildlich gesprochen, Teile derselben Maschine. Wenn auch nur ein Teil nicht in Ordnung ist, führt dies zur Störung der ganzen Maschine und sie bleibt stehen. So werden Reformer gesucht – aber solche, die nicht andere, sondern sich selbst umformen. Nächstenliebe beginnt bei uns selbst. Zuerst sollten wir uns selbst reformieren, und dann mögen wir ein gutes Beispiel für andere sein – Vorbild ist besser als Vorschrift.
Wenn ihr schon an andere denkt, dann denkt immer gut über sie. Warum? Weil sie eure Brüder und Schwestern in Gott sind. Gott wirkt in jedem Herzen. Unsere Körper sind die Tempel Gottes. Wenn wir Schlechtes denken, verschmutzen wir zuerst unsere eigenen Herzen und dann bewerfen wir die anderen mit unserem Schmutz. Stattdessen sollten wir allen Wohlwollen entgegenbringen und Gutes wünschen. So wie Nanak gebetet hat: „Friede sei der ganzen Welt, wie Du es willst, o Gott!“ Das hat auch Buddha gelehrt: „Möge die ganze Welt, mögen alle Wesen glücklich sein!“ Wie kann aber die ganze Welt glücklich sein, wenn ihr jeden mit bösen Gedanken überzieht!
Deshalb ist das Wichtigste, dass ihr nichts Schlechtes über andere denkt, sprecht oder anhört. Wenn ihr von etwas Verkehrtem erfahrt, behaltet es einfach für euch (statt darüber zu tratschen) und versucht den Betreffenden in seinem Interesse privat darauf anzusprechen. Wir sollten uns nicht gegenseitig zu bessern wünschen, wir sollten vor allem uns selbst bessern. Und wenn wir jemanden gernhaben, sollten wir ihm unter vier Augen sagen, was wir für falsch oder verkehrt halten. Dann wird der Betreffende uns genau zuhören.
Wenn ihr einen Blinden seht und sagt: „Hallo, Blinder!“, wird er verletzt sein. Wenn wir aber sagen: „Mein Freund, wann hast du dein Augenlicht verloren?“, dann hat das Sinn. Man kann etwas auf verschiedene Arten und Weisen ausdrücken. Richtig zu sprechen ist eine Kunst. Die gleichen Worte können einmal liebevoll und friedlich wirken und ein anderes Mal einen Brand auslösen. Davor müssen wir uns in Acht nehmen. Deshalb sollten wir in unserem Herzen andere nicht verletzen – nicht in Gedanken, nicht in Worten oder in Taten.
Wahrhaftig Mensch sein
Es ist nicht schwer, ein wahrer Mensch zu sein. Noch entwickeln sich die Menschen. Gott sucht den Menschen, der schon Mensch ist. Wenn ihr bereit seid, wird Gott kommen und euch eine Aufgabe zuweisen. Ich erinnere mich, wie ich auf meiner ersten Weltreise nach London kam. Zwei Kinder von etwa sieben oder acht Jahren erhielten dort die Einführung in die Meditation über den Göttlichen Klangstrom. Ich fragte sie: „Was wünscht ihr euch?“ – „Wir möchten Meister werden“, sagten sie. – „Nun gut“, sagte ich, „ihr seid auf den Weg dorthin gestellt, bessert euch, schreitet fort auf dem Weg, und dann mögt ihr zu Meistern erwählt werden.“ Gott sucht ständig nach dem Menschen, der schon Mensch ist, damit Sein Werk auf Erden fortgeführt wird. Wir brauchen nicht darum zu beten. Gott wählt den, der sich für die Aufgabe eignet. Es ist sinnlos, danach zu verlangen oder sich darum zu bewerben – denn die Entscheidung liegt nicht in menschlicher Hand. Es ist eine von Gott übertragene Aufgabe. Ich sagte den Kindern also: „Ihr könnt Meister werden – das ist in Ordnung. Ihr seid auf den Weg gestellt, geht ihn weiter und ihr könntet als Meister erwählt werden.“ Jeder erlangt schließlich Vollkommenheit. Das zu wollen ist keine Sünde. Jeder Heilige hat seine Vergangenheit und jeder Sünder seine Zukunft.
Wo können wir anfangen? Bei uns selbst. Zuallererst sollten wir nicht schlecht denken. Man spricht aus, was man im Herzen trägt. Wenn also Übles in eurem Gemüt ist, strahlt es aus in Gedanken und Worten. Das ist die wichtigste Lehre der Meister. Wir müssen uns selbst prüfen und sehen, wie und wo wir stehen. Wie können wir damit Meister werden wollen! Reinheit des Gemüts ist also wesentlich. Verunreinigt es nicht, indem ihr schlecht denkt.
Vergeben und vergessen
Ihr solltet um Vergebung bitten. Und auch ihr solltet vergeben und vergessen. Für gewöhnlich vergessen wir nichts, wir halten unsere Verletzungen durch ständiges Daran-Denken fest. Wir mögen vielleicht sagen: „Oh, das macht nichts“, aber das Gift frisst weiter in unseren Gedanken. Früher oder später wirkt sich das aus. Vergebt deshalb immer, wenn jemand eure Gefühle durch Worte oder Taten verletzt hat.
Vergeben ist das einzige liebliche Wasser, das allen Schmutz wegwaschen kann. Gerechtigkeit kann es nicht – denkt daran! Wenn ihr euer Recht einfordert, wird das neue Konsequenzen nach sich ziehen. Vergebung allein wäscht allen Schmutz fort. Vergebt und vergesst – das ist der Weg zur Spiritualität.
Einmal ging ein Mensch zu Lord Buddha und fing an, ihn zu beschimpfen. Er schimpfte eine, zwei, drei Stunden lang, bis es schließlich dunkel wurde. Als die Nacht hereinbrach, wollte er gehen. Da sagte Lord Buddha: „Nun, lieber Freund, sag mir doch eins.“ Der Mann fragte, was Buddha wissen wollte. Buddha antwortete: „Wenn einer einem anderen ein Geschenk bringt und dieser es nicht annimmt, bei wem verbleibt es dann?“ Der Mann antwortete: „Bei dem, der es gebracht hat.“ – „Gut“, sagte Buddha, „ich nehme das Geschenk, das du gebracht hast, nicht an.“
Wir müssen es leben
Diese Punkte müssen wir also in unserem Innern entwickeln und danach leben. Wenn ihr danach lebt, werden sich eure Gedanken und eure Ausstrahlung ändern. Es genügt nicht, so zu tun als ob, wir müssen es leben. Die spirituellen Meister haben immer gesagt: „Ich bin der Diener jener, die nach meinen Worten leben, und sie sind meine Herren. Ihnen werde ich nach bestem Vermögen dienen.“ Gott liebt jedes Menschenkind, das alle Seine Weisungen beherzigt und befolgt. Der äußere Anschein oder vordergründiges So-Tun-als-ob nützt nichts, denn das Gemüt strahlt seine Eigenschaften aus. Gott und die Heiligen sehen auf das Gemüt, und nicht auf das Äußere. Haltet euer Gemüt rein – das ist das Erfolgsgeheimnis.
Kirpal Singh
Sant Kirpal Singh (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich in Ost und West große Achtung und Sympathie.