Dr. Wilfried Reuter (72) ist buddhistischer Lehrer und spiritueller Leiter der Meditationszentren LotosVihara Berlin, Dharma-Chakra Meißen, Sati-Ananda Bremen, Ananda-Vihara Augsburg, sowie Sangha-Vihara Kempten.
Welchen Beruf haben Sie ursprünglich gelernt?
Ich habe Medizin studiert und war 35 Jahre als Arzt tätig. In dieser Zeit habe ich etwa 4.000 Geburten begleiten dürfen und vielen Menschen beim Sterben Beistand geleistet. In meiner Tätigkeit als Frauenarzt, sowie in den Nächten als Notarzt verband ich meine ärztliche Kompetenz mit einfühlsamer Seelsorge.
In welchem Aufgabenbereich sind Sie derzeit tätig?
Ich bin buddhistischer Lehrer in den angegebenen Zentren mit Schwerpunkt Lotos-Vihara Berlin.
Wer oder was möchten Sie sein?
Je nach Situation und dem was gebraucht wird, möchte ich denjenigen, die Orientierung brauchen, ein Wegweiser sein, denen, die Beistand suchen, ein einfühlsamer Begleiter und denen, die Rückhalt wünschen, ein verlässlicher Freund.
Sind Sie Vegetarier? Flexitarier? Veganer?
Flexitarier
Welche drei menschlichen bzw. spirituellen Werte sind Ihnen wichtig?
Ehrlichkeit, mitfühlende Fürsorge und Verlässlichkeit.
Was ist für Sie Glück?
Egobewusstsein kann kein Glück erleben, somit ist Reduzierung der Ego-Identifikation für mich der Türöffner zum Glück.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Wenn meiner Partnerin, meinen Kindern oder Enkeln ein Unfall oder eine schwere Krankheit zustoßen würde.
Was bereitet Ihnen ggfs. Sorgen in Bezug auf die Erde oder die Menschheit?
Aus meiner Sicht entwickelt sich die Menschheit immer mehr in Richtung Abgrenzung, Vereinzelung und angstgesteuertem Verhalten. Daraus können sich gefährliche Denk- und Reaktionsweisen ergeben.
Sind Sie karitativ, ehrenamtlich oder selbstlos engagiert? Wenn ja, wie, wo?
Viele meiner Tätigkeiten in den o. g. Zentren verrichte ich ehrenamtlich.
Wann haben Sie angefangen, sich für Spiritualität zu interessieren?
Als ich 16 Jahre alt war, erkrankte meine Mutter an Krebs, an dem sie zwei Jahre später starb. Damals kam die Frage in mir auf: „Was trägt, wenn alles andere zusammenbricht? Gibt es etwas, auf das ich mich verlassen kann?“ Die Suche nach Antworten führte mich zu Lehrern und Zentren der verschiedensten spirituellen Traditionen.
Meditieren Sie? Wie? Seit wann?
Ich meditiere täglich seit mittlerweile fast 50 Jahren. Dabei stehen im Vordergrund Metta- und Samatha-Meditation, sowie die Rezitation von Mantren.
Was bedeutet „Gott“ für Sie?
Gott ist für mich eine Dimension, die mit Worten nicht beschrieben, mit gewöhnlichen Sinnen nicht erfasst und mit Gedanken nicht erreicht, wohl aber erlebt werden kann. Mit Gott in Verbindung bringe ich Herzchakra-Energie, unbedingte, grenzenlose, alles verbindende Liebe.
Wie möchten Sie sterben?
Ich möchte einverstanden und dankbar sterben. Und denen, die zurückbleiben, es leicht machen.
Was ist dann?
Das werde ich erleben. Ich bin kein Freund von spekulativen Gedanken. Natürlich habe ich mich beschäftigt mit dem Tibetischen Totenbuch und den Erklärungen über BardoZustände. Dennoch glaube ich, dass wir ehrlicherweise nicht sehr viel wissen können über das „Danach“.
Haben Sie Schwächen und falls ja, wie würden Sie diese formulieren?
Ich lasse mich in meinem Verhalten manchmal zu sehr von Emotionen leiten, ohne die Hintergründe verstanden zu haben. Auch wäre ich manchmal gerne geduldiger im Umgang mit mir selbst, mit anderen Menschen und Umständen.
Was ist Ihre Strategie dagegen?
Ich versuche anzuwenden, was ich gelernt habe und meinen Schülerinnen und Schülern weitergebe, nämlich achtsam den gegenwärtigen Moment wertzuschätzen und die darin verborgenen Möglichkeiten zu erkennen.
Was machen Sie in Ihren „Mußestunden“?
Mit unserem weißen Schäferhund durch Felder und Wälder streifen.
Welche Vision haben Sie für die nächsten zehn Jahre?
Ich möchte die unsterblichen Ebenen in mir erleben und erkennen.
Was sind für Sie die wichtigsten Projekte in diesem Jahr?
Ich möchte verstehen, was sozial engagierter Buddhismus bedeutet, und einen entsprechenden Beitrag in der Welt leisten. Aus meiner Sicht braucht es ein aktives, soziales und politisches Engagement spirituell praktizierender Menschen. Meine Vision eines lebendigen, engagierten Buddhismus teile ich u. a. in unserem buddhistischen Studienprogramm, das wir in unserem Berliner Zentrum anbieten.