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Die Liebe zu Mutter Erde

Wir sagen oft, dass wir in einer materialistischen Zeit leben. Und doch hat keine Kultur vor uns die große Mutter (Mater) Erde so für ihre eigenen Launen ausgezehrt wie wir. Doch wie kam es dazu?

In den unterschiedlichsten spirituellen Traditionen der Menschheit gibt es eine Vorstellung von Weltzeitaltern. In Indien spricht man von den Yugas, in Tibet beschreibt dies die Kalachakra-Lehre. Schon in der Antike war die Vorstellung weit verbreitet von einem goldenen Zeitalter, in dem das Leben auf Erden begann. Es gibt verschiedene Theorien, wann sich welches Zeitalter ereignet haben soll, und so ist es schwer etwas Gesichertes zu sagen. Wir können jedoch einige anschauliche Beobachtungen in der Geschichte der Menschheit machen, um eine Idee davon zu bekommen, in welcher Zeit wir heute leben.

Etwa ab dem letzten vorchristlichen Jahrtausend begann man, spirituelles Wissen niederzuschreiben, welches bis dahin ausschließlich mündlich tradiert wurde. Die heiligen Bücher Indiens, die Veden, entstanden, wie auch zahlreiche vergleichbare Schriften rund um die Welt. Dass dieses Wissen nun von einer lebendigen Form in die Gussform der Schrift gebracht wurde, war das erste Anzeichen dafür, dass ein neues Zeitalter anbrach. Bisher wurden die Länder der Erde von Priesterkönigen geleitet und das Leben war religiös-rituell geprägt. In der vielgestaltigen Welt der Vielgötterreligionen wurde jeder Aspekt des Lebens verehrt, doch nun begann eine neue Ära. Spirituelle Ideen wurden zusehends zu Konzepten, und Religionen schossen aus dem Boden, die jeweils auf den Lehren einer Einzelperson fußten. Man denke an Buddha, Laotse, Konfuzius, Zarathustra oder gar Jesus. In Indien nennt man diese auch heute noch „Guru-Religionen“. Wenn wir uns die letzten dreitausend Jahre Geschichte ansehen, ist es eine Zeit der Ideen, Überzeugungen und Eroberungen. In Griechenland und Indien wird das bis dahin mystisch orientierte Denken zusehends zur Philosophie. Das römische Reich war während der tausend Jahre seines Bestehens fast ohne Unterbrechung in Kriege verwickelt. Es kämpfte vorerst für, später gegen die alten Götter und musste schließlich selbst blutig untergehen. Zusehends wurden Kriege religiös-ideologisch untermauert, wie zum Beispiel die Kreuzzüge. Wahnwitzige Überzeugungen finden schließlich in der Inquisition einen schauderhaften Höhepunkt.

Ab der Renaissance beginnt sich das Denken der Menschen erneut zu wandeln. Der bis dahin allgegenwärtige Gott wird zu einem himmlischen Architekten, der von weit oben auf die Welt herabblickt und dem Menschen die Rahmenbedingungen seines Lebens beschert. Gleichzeitig zeigt sich ein ähnlicher Prozess wie schon zweieinhalb Jahrtausende zuvor. Vorher erhielt das lebendige Wissen eine schriftliche Gussform, nun erfährt das lebendige Tun des Menschen zusehends Automatisierung. Dank der neuen beweglichen Lettern beim Buchdruck entstehen riesige Bibliotheken, in welchen Wissen „gesammelt” wird. Immer mehr Maschinen ermöglichen es, Erzeugnisse in großen Stückzahlen zu produzieren, und der Mensch selbst wird zum Zahnrad in diesem wachsenden Getriebe. Das Geld erfährt Inflation und beginnt in immer weniger Hände zusammenzufließen – unser heutiges monetäres System entsteht.

Die beiden Weltkriege des zwanzigsten Jahrhunderts markieren den Schritt in das letzte Weltzeitalter. Der moderne Mensch ist jetzt überzeugt, zuvorderst ein Körper zu sein, und sieht sein Bewusstsein als einen Zufall der Natur an. Seine Medizin müht sich, den Körper ausschließlich auf materielle Weise zu heilen, und sein physikalisches Weltbild vermittelt ihm, dass er nichts weiter als ein Staubkorn in einem ansonsten unbeseelten Universum ist. Der Mensch glaubt nur mehr, was er auch sehen kann, nennt dies den wissenschaftlichen Beweis und vermag oft auf nichts mehr zu vertrauen, was ihm nicht auf diese Weise belegt wird. Während der Mensch in früheren Epochen noch alles, was ihn umgab, als beseelt wahrnahm, so erschrickt der heutige Mensch vor dieser Vorstellung und tut sie als gefährliches Hirngespinst ab. Da er Mutter Erde als unbeseelt ansieht, geht er auch entsprechend mit ihr um. Der heutige Mensch hat so eine Kultur einer modernen Sklaverei aufgebaut, in dem Mensch und Materie oft als Mittel zum Zweck gesehen werden.

Nach indischer Lehre wird sich einst das Pralaya ereignen, was „Auflösung, Verlöschen“ bedeutet, also den Untergang unserer bisherigen Welt markiert. Dies mag uns zuerst erschrecken, doch damit ist nicht unbedingt der physische Untergang der Erde gemeint, sondern eher das Verlöschen unseres irrigen Fiebertraumes von einer unbeseelten Erde, die wir uns untertan machen sollten.

Wir können also erkennen, dass unser Weltbild vielfach auf unwirklichen Vorstellungen fußt und oft von blinder Gier getrieben wird. Dass vieles, was unsere Gesellschaft als „normal“ ansieht, nicht immer gut, wahrhaftig oder menschlich ist. Wir können aus unserm bisherigen Leben wie aus einem wirren Traum erwachen und in einem neuen Bewusstsein zu unserem vertrauten Verhältnis zu Mutter Erde zurückfinden.

Wenn uns wieder bewusst wird, dass jeder Stein in unserer Welt beseelt ist, und wir beginnen mit allem, was uns umgibt, in einer liebevollen Symbiose zu leben, so haben wir bereits den wichtigsten Schritt getan. Bringen wir den Mut auf, Mitgefühl für alle Lebewesen und Dinge in unserer Welt zu entwickeln, und lassen wir uns nicht von der unwirklichen Angst unserer Kultur leiten, dass wir in einem Überlebenskampf um Ressourcen wären. Mutter Erde hat genug für uns alle, nur nicht genug für unsere Gier. Der Anbruch eines neuen Zeitalters beginnt in uns dadurch, dass wir wahrnehmen, mitfühlen und in Liebe zur Mutter Erde unser Leben neu erschaffen.

  Attila Budai

Information:
Attila Budai ist Dozent an der Naturheilschule Isolde Richter.
www.attilabudai.com

FOTO: gettyimages

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