Nur allzu leicht lassen wir uns von den negativen Ansichten und Verhaltensweisen anderer beeinflussen und von unserem spirituellen Kurs abbringen.
Machen wir bei ihrem Spiel mit, verlieren wir dabei das Wichtigste: unseren spirituellen Fortschritt. Doch es gibt einen Weg, aus dem Spiel der Welt auszusteigen und ein für alle Mal auf die Gewinnerseite zu wechseln.
Wenn spirituelle Meister auf die Erde kommen und den Zustand der Welt sehen, wird ihr Herz von großem Mitleid erfüllt und sie fragen sich: „Was wird hier eigentlich gespielt?“ Denn sie sind in der Lage, außerhalb der weltlichen Geschäftigkeit zu stehen, und sehen, wie die Wahrheit verleugnet und die Unwahrheit für bare Münze genommen wird. Wenn eine Lüge ein Dutzend Mal wiederholt wird, fangen die Menschen an, sie zu glauben, und ein schlechtes Beispiel genügt, um auch sie selbst vom rechten Wege abzubringen.
Es gibt eine Geschichte, die anschaulich zeigt, wie sehr wir dazu neigen, blindlings dem Beispiel anderer folgen: Ein Bauer kehrte einst von seinen Feldern heim, und da ihm heiß war, nahm er seine Mütze ab. Wenn jemand damals ohne Kopfbedeckung ging, gab er nach dem Brauch jener Tage zu verstehen, dass etwas Tragisches wie ein Sterbefall o. ä. geschehen war. Als seine Familie sah, wie der Bauer sich mit bloßem Kopf, zerzaustem Haar und schwitzend dem Hause näherte, zog sie daraus voreilig den Schluss, dass jemand gestorben sei, und fing sofort an, zu jammern und sich an die Brust zu schlagen, wie es allgemein üblich war. Als der Bauer seine Leute wehklagen sah, schloss er sich ohne zu zögern der Trauerbekundung an. Doch nach kurzer Zeit gewann die Neugier in ihm die Oberhand, und er erkundigte sich: „Wer ist denn eigentlich gestorben?“ Der Gefragte erklärte bestürzt: „Wir dachten, du hättest eine Todesnachricht zu überbringen. Schließlich sahen wir dich mit bloßem Kopf daherkommen!“
Die eigenen Werte bewahren
Diese Geschichte beschreibt den Zustand der Welt sehr genau. Ein muslimischer Heiliger namens Farid charakterisierte ihn einmal sinngemäß so: „Die Welt spielt ihr eigenes Spiel, und ihr spielt einfach mit.“ Ohne darüber nachzudenken, stimmen die Menschen Allem und Jedem bedenkenlos zu und machen anderen alles nach. Oder kennt ihr irgendjemanden, der das nicht tut?
Nur diejenigen, die Gott kennen, richten ihren Blick auf die Wahrheit und können sehen, was wirklich vor sich geht. Sie kopieren nicht das Verhalten weltlicher Menschen und lassen sich nicht von ihrem Kurs abbringen, sondern versuchen, die Wahrheit hinter allen Dingen zu entdecken.
Wer ist also in dieser Welt klug zu nennen? Wer nach dem Warum und Wofür der Dinge sucht und so den Fallstricken der Welt entgeht. Für alle aber, die in das Spiel der Welt verstrickt sind, kann das Ergebnis nur Unglück sein.
Macht euch daher die Werte der Wahrheit zu eigen und verhelft anderen liebevoll dazu, sie ebenfalls besser zu verstehen. Und vor allem: lasst euch nicht durch Gerüchte oder Gerede von euren guten Zielen und Grundsätzen abbringen. Manch einer spricht nur aus eigennützigen Motiven und achtet die Wahrheit gering. Allen Handlungen liegt eine Absicht zugrunde, sei sie offenkundig oder versteckt. Seid deshalb keine Marionetten, die nach dem Spielplan anderer Leute agieren. Damit schadet ihr nur euch selbst.
Sein Herz für Gott frei halten
Unser Ziel ist es, Gott zu erkennen – den Gott, der in allen Wesen wohnt und den alle als den Einen anbeten, auch wenn sie ihm vielleicht viele unterschiedliche Namen geben.
Alle Religionen verlangen eine ethische und rechtschaffene Lebensweise: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5,8) Das Herz ist wahrhaft rein, in dem kein anderer Gedanke übrigbleibt als der an Gott.
Ihr fragt nun vielleicht: „Wie soll das möglich sein, solange wir in dieser Welt sind?“ In der Bhagavadgita steht geschrieben: „Wer alle in Mir und Mich in allen sieht, den liebe Ich am meisten.“ Wenn ihr Kinder, Eltern, einen Ehepartner habt, so seht das Licht Gottes in ihnen. Gott hat euch nicht zu rein äußerlichen Zwecken zusammengeführt, sondern damit ihr in ihnen Gott seht und Ihm durch sie dient. Wenn ihr das tut, werden eure Beziehungen frei von negativen Bindungen sein. Denn diese entstehen nur dort, wo das Ich dazwischentritt und Gott darüber in Vergessenheit gerät.
Nicht auf negative Reize „anspringen“
Gleichgültig, welche Aufgaben ihr in der Welt zu erfüllen habt – seid dabei wie ein Kompass, dessen Nadel immer nur in eine Richtung zeigt. Lasst eure Aufmerksamkeit auf den Herrn gerichtet, denn wenn die Nadel abschweift – was dann?
Haltet also für ein Weilchen inne, wo ihr gerade steht, und überdenkt eure eigene Lage. Sucht nach der wahren Bedeutung, die hinter allen Dingen verborgen ist, und prüft, ob ihr sie richtig versteht. Den größten Teil eures Lebens habt ihr nun bereits auf eine Art und Weise verbracht, die nicht der wahren Natur der Dinge entspricht, und wenn euch das nicht wirklich weiter gebracht hat, was nützt es euch dann, damit fortzufahren?
Farids Worte sollten uns eine Warnung sein. Hört auf, die Spiele anderer Menschen mitzuspielen, ohne die Gründe dafür zu kennen. Was habt ihr dabei zu gewinnen? Angenommen, jemand begegnet euch in Gedanken oder Worten aggressiv, dann folgt seinem Beispiel nicht, indem ihr seine Gefühle erwidert, sonst kommt ihr unter den Einfluss seiner Gedanken. Denkt lieber an Farids Worte und spielt das Spiel der Welt nicht mit.
Schwächen positiv begegnen
In solchen Fällen ist es besser, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen, um heraus zu finden, warum der andere so feindselig handelt, und dann angemessen darauf zu reagieren. Das schützt euch davor, euch selbst zu erniedrigen. Denn schlecht von jemandem zu denken oder zu sprechen, zu lügen oder zu betrügen, unaufrichtig zu sein, sich in übler Nachrede zu ergehen und andere schlechte Charakterzüge – all das erniedrigt die Seele.
Haltet euer Herz rein, und da Gott in jedem Menschen wohnt, versucht nur das Beste in allen zu sehen. Gleichgültig, welche Pflichten Gott euch aufgetragen hat, erfüllt sie mit Liebe, und wenn andere ihre Pflichten vernachlässigen, appelliert liebevoll an ihr besseres Wissen und betet, dass sie zur Einsicht kommen. Dann überlasst sie Gott. Wenn wir immer daran denken würden, dass der eine Gott, den wir anbeten, in allen Menschen wohnt, würden wir uns nicht so sehr von ihrem äußeren Verhalten beeinflussen lassen.
Mit eigenen Augen sehen
Seht mit eigenen Augen, was recht ist, und lasst euch durch das Gerede anderer Leute nicht in die Irre führen. Jeder Mensch sieht die Dinge nur von seiner persönlichen Warte aus – also macht er Fehler und kommt zu Fall. Dann spielt er das Spiel der Welt und andere tun es ihm nach. Und wer hat darunter zu leiden? Ihr eigenes Selbst. Das meint Farid, wenn er uns vor Augen führt, wie sehr wir uns von weltlichen Einflüssen leiten lassen. Doch er sagt auch, was dagegen hilft: „Wer sich unter den Schutz des Herrn begibt, der spielt das Spiel der Welt nicht mehr mit.“
Das Problem ist, dass wir uns für körperliche Wesen halten, statt uns als Seelen zu erkennen, die vom selben Wesen sind wie Gott und nur für eine Zeit lang in diesem Körper wohnen. Darum betrachten wir alles nur unter dem Blickwinkel unserer physischen Existenz. Der Körper aber besteht aus Materie, die sich jeden Augenblick verändert. Auch die Welt besteht aus Materie, die sich mit der gleichen Geschwindigkeit verändert wie der Körper. Wenn zwei materielle Dinge sich im gleichen Tempo verändern, erscheinen beide beständig. Wenn wir uns mit unserem Körper-Ich identifizieren und mit den materiellen Dingen darum herum, erliegen wir deshalb einer großen Täuschung.
Wir haben uns selbst an diese Illusion gebunden und an alles, was sie bedeutet und mit sich bringt. Wie wird man diese Illusion wieder los? Nur indem man sich durch regelmäßige Meditation über das körperliche Ich-Bewusstsein erhebt. Nur dann kann man die Wahrheit erkennen.
Wer sein Leben nach den göttlichen Geboten lebt und beständig den Herrn im Sinn behält, steht nicht mehr unter dem schädlichen Einfluss der Welt. Wer dieses Glück nicht hat, spielt weiterhin das Spiel der Welt.
Mit Gott spielen
Auch der Mystiker Kabir hat einmal gesagt, dass die ganze Welt auf ihre weltliche Art und Weise spielt: Einmal gewinnt man, dann verliert man wieder, und immer so weiter, das ganze Leben lang. Wenn man verliert, muss man dem anderen Spieler alles geben, und wenn man gewinnt, nimmt man dem anderen alles ab. Einer von beiden geht immer leer aus. Darum schlägt Kabir ein neues Spiel vor: „Ihr spielt das Spiel der Welt. Ich spiele auch – aber mit Gott. Wenn ich verliere, werde ich Sein; wenn ich gewinne, wird Er mein.“
Warum spielt ihr also nicht mit Gott? Wenn ihr verliert, gehört ihr Ihm, und wenn ihr gewinnt, gehört Er euch. Bei diesem Spiel könnt ihr nur gewinnen, denn ihr werdet in jedem Fall mit Ihm eins.
Sant Kirpal Singh
Sant Kirpal Singh (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der “Weltgemeinschaft der Religionen” erwarb er sich im Osten wie im Westen große Achtung und Sympathie.